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Der lange Schatten des ›Roten Oktober‹ - Zur Relevanz und Rezeption sowjet-russischer Kunst, Kultur und Literatur in Österreich 1918–1938
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Jürgen Egyptien88 Lenin „nur noch ein schattenhaftes Dasein“18 konzedierte. Seine Charakteristik von Lenin als „unpersönlichste und am konsequentesten durchgedachte Verkör- perung der letzten Phase der russischen Geschichte“19 deckt sich nämlich voll- ständig mit dem Tenor von Fischers Essay „Legende:  Lenin“. Er betont darin, dass Lenin kein Privatleben habe und „das lebendige Symbol einer welthistori- schen Bewegung“ sei.20 In direktem Gegensatz zum Nachruf im Arbeiterwillen bezeichnet Fischer Lenin als „das organisierte Genie“.21 Der eigentliche Kerngedanke seines Essays besteht aber darin, Lenin als „die Vereinigung von Tat und Idee in einem einzigen Menschen“22 zu feiern. Damit übernimmt Fischer sinngemäß Otto Bauers Formulierung auf dem Linzer Par- teitag der österreichischen Sozialdemokratie von 1926, der Lenin eine „Synthese von nüchternem Realismus und revolutionärem Enthusiasmus“23 genannt hat. Fischer schließt sich auch an einen historischen Vergleich aus Bauers Nachruf an, wenn er Lenin als Synthese aus Robespierre und Napoleon deutet. Er lässt seine Eloge in die Prophezeiung münden, Lenins Persönlichkeit sei „hinausra- gend über die Geschichte in die Legende“.24 In seinem Drama Lenin setzte Fischer diese scheinbar ideale Synthese der leidenschaftlichen Kritik seiner Kunstfigur Leonid aus, die Lenins Pragmatismus aus der Perspektive einer reinen Idee der Revolution scharf attackiert. Der Konflikt kulminiert in einem Attentat Leonids auf Lenin. 1927 hatte Fischer das fragmentarische Manuskript mit nach Wien gebracht und vollendete es jetzt unter dem Eindruck der vom Justizpalastbrand auf- geworfenen Fragen. Fischer versuchte in dem Stück, die eigene Neigung zum Enthusiasmus einer realitätstüchtigen Disziplin zu unterwerfen. So ließ er das Volk den getöteten Lenin erwecken und Leonid letztlich scheitern. Er gab den Text Otto Bauer zur Lektüre. Als Bauer das Manuskript gelesen hatte, bestellte er Ernst Fischer zu sich und sagte zu ihm:  „Sie sind ein Romantiker der Revolution, der ein romantisches Stück gegen diese Romantik schreibt.“ [EuR  188] In seiner Autobiografie stimmt Fischer dieser Deutung zu: 18 Oskar Bluhm:  Lenins Persönlichkeit. In:  Arbeiterwille (23.1.1924), S.  2f. 19 Ebd., S.  3. 20 Ernst Fischer:  Legende:  Lenin. In:  Arbeiter-Zeitung (6.11.1927), S.  17. 21 Ebd. 22 Ebd. 23 Zit. bei:  ebd. 24 Ebd.
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Der lange Schatten des ›Roten Oktober‹ Zur Relevanz und Rezeption sowjet-russischer Kunst, Kultur und Literatur in Österreich 1918–1938
Titel
Der lange Schatten des ›Roten Oktober‹
Untertitel
Zur Relevanz und Rezeption sowjet-russischer Kunst, Kultur und Literatur in Österreich 1918–1938
Autor
Primus-Heinz Kucher
Herausgeber
Rebecca Unterberger
Datum
2019
Sprache
deutsch
Lizenz
CC BY 4.0
ISBN
978-3-631-78199-9
Abmessungen
14.8 x 21.0 cm
Seiten
466
Kategorie
Kunst und Kultur
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