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Der lange Schatten des ›Roten Oktober‹ - Zur Relevanz und Rezeption sowjet-russischer Kunst, Kultur und Literatur in Österreich 1918–1938
Seite - 89 -
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E. Fischers Auseinandersetzung mit der Sowjetunion 89 Es war ein Lehrbuch gegen mich, gegen den romantischen Intellektuellen Leonid, für den die Revolution nicht Mittel zum Zweck ist, sondern sich selbst bezweckt, als per- manente Erschütterung, Reinigung, Befreiung, als Erlebnis der Selbstüberschreitung des Menschen, als Religion. […] Was viele meiner Generation, meines Jahrhunderts mitriß, was ich in Leonid zu gestalten versuchte, war die „Revolution an sich“. [EuR 193 bzw.  197] Zwar bezeuge Leonids gewaltsames Ende Fischers „aufrichtige[s] Verlangen, den Bohemien […], den Anarchisten, den selbstsüchtigen Intellektuellen zu über- winden und […] in unbedingter Disziplin einer Kampfgemeinschaft anzugehö- ren“, aber zugleich wäre eine Revolution ohne das in ihm verkörperte Pathos eines notwendigen Moments beraubt [ebd.]. Als einen Statthalter dieses Pathos zeichnet Fischer Lev Trockij in dem zwei Wochen nach seinem Lenin-Essay folgenden Artikel „Tragödie:  Trotzky“. Fischer interpretiert Trockijs persönliche Tragödie als diejenige der Revolution selbst, das heißt, als den notwendig zwischen der Idee und den Resultaten der Revolu- tion auftretenden Widerspruch. Trockij sei durch seine Rolle als Organisator der Roten Armee zum Heros der Oktoberrevolution aufgestiegen und könne sich nun mit dem „Abfall der Wirklichkeit von der Idee“ nicht arrangieren. So sei er, in dem sich „das ganze Pathos der Revolution verkörpert“,25 in Gegensatz zu Sta- lin geraten, der die Resultate der Revolution mit „Handwerkerfleiß“ zu sichern vermocht habe. Die Schöpfung, so formuliert Fischer die Pointe des tragischen Prozesses, habe ihren Schöpfer als obsolet, ja gefährlich gewordene Erscheinung verstoßen.26 3 „Russentum und Amerikanertum“ Aus demselben Monat, in dem die beiden Essays über Lenin und Trockij in der Arbeiter-Zeitung veröffentlicht worden sind, stammt auch Fischers Text „Wandlung des russischen Geistes“, der im Novemberheft der sozialdemokrati- schen Monatsschrift Der Kampf erschienen ist. Einleitend betont Fischer darin die Faszination, die von der Oktoberrevolution ausgehe, da sie nicht allein ein 25 Ders.:  Tragödie:  Trotzky. In:  Arbeiter-Zeitung (20.11.1927), S.  17. 26 In seiner Rezension von Trockijs Autobiografie Mein Leben, die Fischer „ein faszi- nierendes Buch“ nennt, hebt er Trockijs Selbsterkenntnis von seiner Entfernung von den Erfordernissen der sowjetischen Realpolitik hervor (vgl. E[rnst] F[ischer]:  Trotzki schreibt Memoiren. In:  Arbeiter-Zeitung (5.1.1930), S.  5f.).
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Der lange Schatten des ›Roten Oktober‹ Zur Relevanz und Rezeption sowjet-russischer Kunst, Kultur und Literatur in Österreich 1918–1938
Titel
Der lange Schatten des ›Roten Oktober‹
Untertitel
Zur Relevanz und Rezeption sowjet-russischer Kunst, Kultur und Literatur in Österreich 1918–1938
Autor
Primus-Heinz Kucher
Herausgeber
Rebecca Unterberger
Datum
2019
Sprache
deutsch
Lizenz
CC BY 4.0
ISBN
978-3-631-78199-9
Abmessungen
14.8 x 21.0 cm
Seiten
466
Kategorie
Kunst und Kultur
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