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Der lange Schatten des ›Roten Oktober‹ - Zur Relevanz und Rezeption sowjet-russischer Kunst, Kultur und Literatur in Österreich 1918–1938
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Rebecca Unterberger108 5 Ohne Amerika geht es nicht? Bei Ėrenburg und Fischer erschien der neue amerika(nismus)affine russische Tatmensch vor allem dank seines Technisierungsenthusiasmus als logische Kon- sequenz der Revolution plausibel. Joseph Roth dagegen, für den die USA und die Sowjetunion zentrale Pole seiner geopolitischen Orientierung um das (Epi-) Zentrum der untergegangenen Monarchie stellten,48 war besorgt im Angesichte eines gleichfalls ‚amerikanisiert‘ daherkommenden „neuen russischen Typ[s] “. Vor den Schaufenstern des „Nep-Mann[es]“, Proponent der seit Beginn der 1920er allmählich durchgesetzten Neuen Ökonomischen Politik (NEP), stehe das Proletariat heute neuerdings, ohne sich die feilgebotenen Waren leisten zu können  – wie in einem „kapitalistische[n] Staat“. Der NEP-Mann als Händler und Industrieller ist der „auferstandene Bourgeois“,49 den Nikolaus Basseches als Manifestation einer umfassenderen ‚Wandlung des russischen Geistes‘ skiz- zierte:  Der von den Kulturrevolutionären vermeinte „neue Mensch“ sei nichts anderes als „ein guter Staatsbürger, der die Ordnung liebt“, und darin vergleichbar dem „idealen Staatsbürger der bürgerlichen Staaten“. Der prototypische „neue Mensch“ ist demnach, so auch der Titel des Leitartikels aus der Feder des Neue Freie Presse-Moskau-Korrespondenten, „Der verbürgerlichte Kommunist“.50 Die hier feuilletonistisch geleistete ‚Verbürgerlichung‘ der Sowjetunion fand eine Entsprechung in einem immer wieder beschworenen bürgerlichen Habitus der USA. „Es gibt nur amerikanische Bürger“,51 begeisterte sich etwa der Wiener Mediziner Burghard Breitner, dem mit dem sibirischen Kriegstagebuch Unver- wundet gefangen 1921 ein Bestseller gelungen war,52 in dem USA-Reisebericht 48 Vgl. Gerhard R. Kaiser:  Altes Europa. USA-kritische Bezüge in der deutschsprachigen nichtfiktionalen Paris-Literatur zwischen 1918 und 1933 […]. In:  Walter Fähnders u.a. (Hgg.):  Berlin, Paris, Moskau. Reiseliteratur und die Metropolen (= Reisen Texte Metropolen, Bd.  1). Bielefeld:  Aisthesis 2005, S.  71–85, hier S.  77; vgl. auch den Beitrag von E.  Voloshchuk. 49 Joseph Roth:  Der auferstandene Bourgeois. In:  Prager Tagblatt (24.10.1926), S.  4. 50 Nikolaus Basseches:  Der verbürgerlichte Kommunist. In:  NFP (5.6.1928), S.  1f. Bass- eches, der in Moskau geborene Sohn eines österreichischen Großhändlers, war seit 1922 für die NFP als Korrespondent tätig. Zu Beginn der 1930er Jahre setzte sich Sta- lin persönlich für die Ausweisung des einzigen österreichischen Pressevertreters ein, provoziert von dessen kritischer Berichterstattung über die Kolchosen; vgl. Heeke, Reisen zu den Sowjets, S.  53f. 51 Burghard Breitner:  Mormonen und Medizinmänner. Wien:  Amalthea 1930, S.  151f. 52 1935 erschien im Verlag E.  Hofmann (Darmstadt–Leipzig) eine erweiterte Ausgabe u.d.T. Sibirien. Unverwundet gefangen, laut deren Vorsatz sich die ursprünglich im Wiener Rikola-Verlag erschienene Ausgabe 11.000 Mal verkauft habe.
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Der lange Schatten des ›Roten Oktober‹ Zur Relevanz und Rezeption sowjet-russischer Kunst, Kultur und Literatur in Österreich 1918–1938
Titel
Der lange Schatten des ›Roten Oktober‹
Untertitel
Zur Relevanz und Rezeption sowjet-russischer Kunst, Kultur und Literatur in Österreich 1918–1938
Autor
Primus-Heinz Kucher
Herausgeber
Rebecca Unterberger
Datum
2019
Sprache
deutsch
Lizenz
CC BY 4.0
ISBN
978-3-631-78199-9
Abmessungen
14.8 x 21.0 cm
Seiten
466
Kategorie
Kunst und Kultur
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Der lange Schatten des ›Roten Oktober‹