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Der lange Schatten des ›Roten Oktober‹ - Zur Relevanz und Rezeption sowjet-russischer Kunst, Kultur und Literatur in Österreich 1918–1938
Seite - 109 -
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Miszellen zum Amerika-Russland-Diskurs 109 Mormonen und Medizinmänner (1930) über die fehlende Durchschlagkraft des Sozialismus in Amerika  – im Gegensatz zu Wien, das von „bolschewistischen Pocken“ befallen sei.53 Denn, wie sich hier mit Ann Tizia Leitich anknüpfen ließe, der amerikanische Arbeiter hat es „nicht notwendig, Bolschewist zu wer- den“. Dank der Lohnpolitik eines Henry Ford sei er nämlich zufrieden, was die aus Wien gebürtige USA-Korrespondentin der Neuen Freien Presse 1925 mit folgendem Bekenntnis zu Amerika quittierte:  „Ich bin weder Bolschewistin noch Sozialistin, lediglich Amerikanerin  – in diesem Sinn  – und als solche sage ich:  Jeder, wo immer er geboren ist, soll die Möglichkeit haben, sein Leben aus- zugestalten“.54 Den Osten hatte Leitich, ohne Russland aus eigener Anschauung zu kennen, auch als Romanschriftstellerin im Blick, als sie 1930 in dem in der Neuen Freien Presse veröffentlichten „Roman einer Frau der Zeit“ Ein Leben ist nicht genug die ‚rasende Reporterin‘ Lassa Lumis Amerika und Europa durch- messen ließ. Der Durchbruch als Journalistin ist Lassa mit dem Reportagero- man Als Arbeiterin durch das bolschewistische Rußland, als  – in Anlehnung an Lili Körbers Tagebuch-Roman55  – ‚Frau, die den roten Alltag bereist‘, gelungen. Als Starreporterin beim Medienkonzern Transcontinental Press mit Hauptsitz in New  York ist sie dann zunächst in Paris als Korrespondentin, dann in Ber- lin als Leiterin der Propagandaabteilung der Bequi, einer Tochtergesellschaft der Transcontinental, tätig. Das Luftfahrtunternehmen interessiert sich für einen von deutschen Wissenschaftlern entwickelten Flugzeug-Treibstoff; als die Hauptfinanciers dieser Forschungen, die deutschen Sonner-Werke, marodieren und sich nur durch einen Vertrag mit der Sowjethandelsvertretung in Berlin sanieren könnten, wird Lassa beauftragt, den Vertragsabschluss zu verhindern. Doch sie scheitert ganz bewusst:  Die Sonner-Werke werden 42.000 Traktoren nach Russland liefern, und Lassa scheidet aus der Bequi aus. Was für eine ‚Kar- rieristin der Zeit‘ die Katastrophe bedeuten müsste, gerät für eine Leitich-Pro- tagonistin zum Happy End, in dem Amerika und Europa, das heißt Lassa und der für Sonner tätige Ingenieur Montanus, endlich zueinander finden.56 Dieses Happy End transportiert für das ‚bürgerliche‘ Lager in den 1920er Jahren durch- aus typische philo-amerikanistische Sentiments, als deren Sprachrohr Leitich auch mit ihren journalistischen Beiträgen figurierte. Von einer nach amerikani- schem Vorbild modernisierten Gesellschaft versprach man sich die ‚Bändigung‘ der Massen durch demokratische Zugeständnisse und damit einen Weg vorbei 53 Breitner, Mormonen, S.  143. 54 Ann Tizia Leitich:  Ein Wort für Amerika. In:  NFP (25.3.1925), S.  1–4. 55 Vgl. dazu den Beitrag von W.  Fähnders. 56 Der Roman erschien zwischen 23.8. und 30.10.1930 in der NFP.
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Der lange Schatten des ›Roten Oktober‹ Zur Relevanz und Rezeption sowjet-russischer Kunst, Kultur und Literatur in Österreich 1918–1938
Titel
Der lange Schatten des ›Roten Oktober‹
Untertitel
Zur Relevanz und Rezeption sowjet-russischer Kunst, Kultur und Literatur in Österreich 1918–1938
Autor
Primus-Heinz Kucher
Herausgeber
Rebecca Unterberger
Datum
2019
Sprache
deutsch
Lizenz
CC BY 4.0
ISBN
978-3-631-78199-9
Abmessungen
14.8 x 21.0 cm
Seiten
466
Kategorie
Kunst und Kultur
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Der lange Schatten des ›Roten Oktober‹