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Der lange Schatten des ›Roten Oktober‹ - Zur Relevanz und Rezeption sowjet-russischer Kunst, Kultur und Literatur in Österreich 1918–1938
Seite - 186 -
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Kurt Ifkovits186 Was sich in Europa allmählich entwickelt habe, sei in Russland von außen ein- geführt worden. In der Folge werde die Spannung von Kosmopolitismus versus Autochthonie, gleichzeitige Anziehung und „Reperkussion des Auslandes“ ein „charakteristisch russische[r] Gedanke“ [RT  16] der russischen Kultur. So lasse sich die Geschichte des russischen Theaters auch als ein Kampf um Autochtho- nie verstehen. Die explosionsartige Ausbreitung des russischen Theaters gegen Ende des 19.  Jahrhunderts erklärt Gregor beispielsweise aus der Befreiung von den „westlichen Formen und Fesseln“ [RT  18]. Ungeheures, genuin russisches Inhalts- und Formenmaterial habe sich angesammelt, doch es gäbe keinen Ort, an dem es sich entfalten könne. Dieses genuin russische Formenmaterial leitet Gregor nun aus der Ikonen- und Buchmalerei ab, die er folgendermaßen kenn- zeichnet:  begrenzte Motivik, Prägnanz, Eindeutigkeit, Fehlen von Natur, räum- licher Symbolismus. In der Miniaturistik erkennt Gregor einen „theatralischen Formengeist“, der sich durch äußerste Abstraktion, Gestik der Gestalten und eine Farbsymbolik auszeichne. Hierin liegen die Wurzeln der spezifischen Gestal- tungsgabe des modernen russischen Theaters. Symbol werde neben Symbol gesetzt; nicht das malerische Ergebnis, sondern die Ausdruckskraft des Ergeb- nisses sei primär. Die Komposition sei „nicht bildlich, sondern räumlich“. Das „Symbol“ „überwiegt“ das Dargestellte. Gregor spricht daher von einer „Mystik des Dargestellten“ [RT 20f.]. Den Beginn der russischen Theatermoderne datiert Gregor mit der Person Konstantin Stanislavskijs. Diesem gelinge es erstmals, das gesamte theatrale Spiel grafisch auf kleinstem Raum zu entfalten, um es schließlich auf die Bühne zu bringen. Dem Verfahren der Miniaturisten nicht unähnlich, eröffne sich aus einer kleinen Skizze eine ungeheure Vision:  Das Regiebuch als „Partitur der Auf- führung“. Stanislavskijs Theater, das aus dem Russischen hinausstrebt,33 sei im Westen als Naturalismus missverstanden worden. So viel Theaterwille, so viel Hingabe wurde für Natur gehalten. Tatsächlich sei sein Theater ein harmoni- sches Ganzes für Ohr und Auge, das, den Arbeiten Otto Brahms und Max Rein- hardts ähnlich, realen Gegenständen auf der Bühne eine Bedeutung verleihe, die weit über sie hinausgeht  – kurzum:  angewandter Symbolismus [vgl. RT 31–33]. 33 Stanislavskijs Hinausstreben aus dem Russischen wurde von Gregor anlässlich dessen 70. Geburtstags zum zentralen Gedanken seines Würdigungsbeitrags, in dem, durch- aus mit pejorativem Beigeschmack, zu lesen ist, Stanislavskij „war niemals Russe“, „verkappter Ausländer“, „Westler“ und stehe „ganz außerhalb seiner Zeit, dies seine Größe, allerdings auch sein Verhängnis“ (Joseph Gregor:  Constantin Stanislawsky. In:  Die Bühne, H.  360/1933, S.  12–15).
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Der lange Schatten des ›Roten Oktober‹ Zur Relevanz und Rezeption sowjet-russischer Kunst, Kultur und Literatur in Österreich 1918–1938
Titel
Der lange Schatten des ›Roten Oktober‹
Untertitel
Zur Relevanz und Rezeption sowjet-russischer Kunst, Kultur und Literatur in Österreich 1918–1938
Autor
Primus-Heinz Kucher
Herausgeber
Rebecca Unterberger
Datum
2019
Sprache
deutsch
Lizenz
CC BY 4.0
ISBN
978-3-631-78199-9
Abmessungen
14.8 x 21.0 cm
Seiten
466
Kategorie
Kunst und Kultur
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