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Der lange Schatten des ›Roten Oktober‹ - Zur Relevanz und Rezeption sowjet-russischer Kunst, Kultur und Literatur in Österreich 1918–1938
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Gastspiele sowjetischer Theatertruppen in Wien 203 Vogel nur bei Stanislavskij13 uraufgeführt wissen wollte. Aufgeschlossen, wie er war, ließ sich Stanislavskij auch auf ein interessantes Experiment des öster- reichischen Schauspielers Alexander Moissi ein, der für seinen eigenwilligen Sprechstil geradezu berüchtigt war. Der als extravagant geltende Schauspielstar Moissi wollte, seines Startums wohl überdrüssig, unbedingt bei ihm auftreten, um in dem von Stanislavskij so hoch gehaltenen Gemeinschaftsspiel aufzugehen. Jedenfalls begrüßte Stanislavskij dieses Experiment, und Moissi verkörperte 1925 viele Wochen lang am Künstlertheater in Moskau den König Ödipus, den Hamlet sowie Gestalten aus der russischen Literatur. Unter Stanislavskijs Regie spielte er zudem mit dem Habima-Ensemble, ein weiteres Studio des Künstler- theaters, in Jaákobs Traum von Richard Beer-Hofmann mit. „Er hat seine Rollen sämtlich in deutscher Sprache gespielt, während alle übrigen Mitwirkenden rus- sisch sprachen“,14 wusste der Wiener Theaterkritiker Hans Böhm von dieser so harmonischen, obgleich gemischtsprachlichen Zusammenarbeit zu berichten. Es nimmt daher nicht wunder, wenn dem Gastspiel der Mitglieder des Mos- kauer Künstlertheaters im April 1921 im Wiener Stadttheater größte Beachtung beigemessen wurde. Die Ursachen für Stanislavskijs Abwesenheit waren, wie schon erwähnt, politischer Natur. Der Schriftsteller Robert Musil, damals für die Prager Presse als Theaterkritiker tätig, wusste um die genauen Hintergründe: Stanislawski und Nemirowitsch-Dantschenko, die geistigen Beweger dieser Künstlerschar, hat der russische Umsturz in Moskau zurückgehalten, während er einen Teil der Darsteller und Regisseure, der in Denikins Hände gefallen war, in die Freiheit des Westens vertrieb oder entließ …15 Zum Auftakt spielte man Maksim Gor’kijs Nachtasyl (11., 14. April), dann wur- den hintereinander mehrere Stücke Čechovs wie Onkel Wanja (12. April), Die drei Schwestern (13., 16. April) sowie Der Kirschgarten (15., 25. April) aufgeführt. Es folgten die dramatisierten Fragmente I  und II aus dem Roman Die Brüder Karamazov von Fёdor Dostoevskij16 (18., 23., 24. April), die jeweils an zwei 13 Bereits 1904 hatte Stanislavskij drei Einakter von Maeterlinck aufgeführt. Zu seiner persönlichen Begegnung mit Maeterlinck vgl. das Kapitel „Zu Gast bei Maeterlinck“ in:  Stanislawski, Mein Leben, S.  391–394. 14 Hans Böhm:  Moissi in Rußland. In:  Die Bühne, H.  14/1925, S.  2. 15 Robert Musil:  Moskauer Künstlertheater [24.  April  1921]. In:  ders., Gesammelte Werke, Bd.  9, S.  1476. Anton I.  Denikin war ein wichtiger Kommandeur der Wei- ßen Armee. 16 Zum besseren Verständnis ihres Publikums gaben die Direktoren des Wiener Stadt- theaters, Josef Jarno und Wilhelm Karczag, eine 15-seitige Broschüre mit der Inhalts- angabe der Geschehnisse vor den dramatisierten Szenen heraus:  „Diese Einleitung
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Der lange Schatten des ›Roten Oktober‹ Zur Relevanz und Rezeption sowjet-russischer Kunst, Kultur und Literatur in Österreich 1918–1938
Titel
Der lange Schatten des ›Roten Oktober‹
Untertitel
Zur Relevanz und Rezeption sowjet-russischer Kunst, Kultur und Literatur in Österreich 1918–1938
Autor
Primus-Heinz Kucher
Herausgeber
Rebecca Unterberger
Datum
2019
Sprache
deutsch
Lizenz
CC BY 4.0
ISBN
978-3-631-78199-9
Abmessungen
14.8 x 21.0 cm
Seiten
466
Kategorie
Kunst und Kultur
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Der lange Schatten des ›Roten Oktober‹