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Der lange Schatten des ›Roten Oktober‹ - Zur Relevanz und Rezeption sowjet-russischer Kunst, Kultur und Literatur in Österreich 1918–1938
Seite - 222 -
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Jürgen Doll222 Das sowjetrussische Theater fand über die Parteijugend und die Parteilinke Eingang in die österreichische Sozialdemokratie, und es ist signifikant, dass die ersten diesbezüglichen Hinweise in der von Ludwig Wagner redigierten Zeit- schrift der sozialistischen Mittelschüler Der Schulkampf erschienen. Die spä- tere theoretische Auseinandersetzung mit dem sowjetischen Theater fand dann vornehmlich in der Politischen Bühne statt, der Zeitschrift der Sozialistischen Veranstaltungsgruppe, die unter anderem das Politische Kabarett gründete und später die Roten-Spieler-Gruppen organisierte.4 In einem Interview aus dem Jahre 1977 betonte Robert Ehrenzweig, Herausgeber und leitender Redakteur der Politischen Bühne, wie sehr die kulturelle Entwicklung der jungen Sowjet- union das Interesse der sozialistischen Jugend auf sich gezogen und großen Ein- fluss ausgeübt habe. Begierig habe man den Proletkult, der die Masse und das Kollektiv als Helden entdeckt hatte, zur Kenntnis genommen. Vor allem Platon M.  Keržencevs Buch Das schöpferische Theater5 und Fülöp-Millers Geist und Gesicht des Bolschewismus6 hätten zum ersten Mal über die Massenspiele und das neue russische Theater informiert und zu eigenen Aktivitäten angespornt.7 Keržencevs 1922 auf Deutsch erschienenes Werk, das auch auf das deutsche Arbeitertheater einen nachhaltigen Einfluss ausübte,8 bestimmte in Österreich fast ausschließlich die theoretische Reflexion der Theaterpraktiker. Dagegen wurde etwa Aleksandr Bogdanov, der in der deutschen Proletkult – Debatte noch eine wichtige Rolle gespielt hatte, nie erwähnt.9 Fülöp-Millers Buch, das 1926 erschienen war, erweiterte vor allem die Kenntnis des russischen Thea- ters, fügte aber, da es sich vornehmlich mit den großen Bühnen beschäftigte, wenig zur theoretischen Reflexion über das Agitationstheater bei. Die detaillier- ten Beschreibungen der Inszenierungen und Massenveranstaltungen und vor 4 Vgl. Jürgen Doll:  Sozialdemokratisches Theater im Wien der Zwischenkriegszeit. Vom Sprechchorwerk zu den Roten-Spieler-Szenen. In:  Primus-Heinz Kucher (Hg.):  Ver- drängte Moderne  – vergessene Avantgarde. Diskurskonstellationen zwischen Lite- ratur, Theater, Kunst und Musik in Österreich 1918–1938. Göttingen:  V&R unipress 2016, S.  79–94. 5 Platon M. Kerschenzew:  Das schöpferische Theater. Hamburg:  Carl Hosym 1922 [Reprint:  Köln:  Maternus  1992]. 6 René Fülöp-Miller:  Geist und Gesicht des Bolschewismus. Darstellung und Kritik des kulturellen Lebens in Sowjet-Rußland. Zürich–Wien–Leipzig:  Amalthea-Verlag 1928. 7 Vgl. Alfred Pfoser:  Literatur und Austromarxismus. Wien:  Löcker Verlag 1980, S.  65. 8 Vgl. Ludwig Hoffmann/Daniel Hoffmann-Ostwald (Hgg.):  Deutsches Arbeitertheater 1918–1933. Eine Dokumentation. Bd.  1. Berlin:  Henschel Verlag 1961, S.  33. 9 Aleksandr Bogdanovs Abhandlung Die Kunst und das Proletariat erschien 1921 in deutscher Übersetzung.
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Der lange Schatten des ›Roten Oktober‹ Zur Relevanz und Rezeption sowjet-russischer Kunst, Kultur und Literatur in Österreich 1918–1938
Titel
Der lange Schatten des ›Roten Oktober‹
Untertitel
Zur Relevanz und Rezeption sowjet-russischer Kunst, Kultur und Literatur in Österreich 1918–1938
Autor
Primus-Heinz Kucher
Herausgeber
Rebecca Unterberger
Datum
2019
Sprache
deutsch
Lizenz
CC BY 4.0
ISBN
978-3-631-78199-9
Abmessungen
14.8 x 21.0 cm
Seiten
466
Kategorie
Kunst und Kultur
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