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Der lange Schatten des ›Roten Oktober‹ - Zur Relevanz und Rezeption sowjet-russischer Kunst, Kultur und Literatur in Österreich 1918–1938
Seite - 242 -
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Marco Hoffmann242 Russolos L’arte die rumori (dt. Die Kunst der Geräusche) augenscheinlich. Auf die Distinktionsmerkmale beider Strömungen kann in diesem Zusammenhang nicht genauer eingegangen werden. Zentral ist, dass die futuristische Strömung in Russland sich explizit als eigene Bewegung verstanden hat. Dafür sprechen die weit auseinanderliegenden politisch-ästhetischen Prämissen. Während der Futurismus Marinettis faschistoiden Ideologien nahesteht10 und den Krieg als „einzige Hygiene der Welt“11 glorifiziert, verbindet sich mit den Zukunftsvisio- nen der russischen Avantgarde eine im Kern ‚menschliche‘ Gesinnung.12 So ist der symbolische Sieg über die Sonne als Sieg über die aristokratischen Struk- turen des in sich zerfallenden Zarenrusslands lesbar. Analog dazu können der Aufbruch des futuristischen Menschen und seine Herrschaft durch die Mittel der Technik in Parallelität zur industriellen Revolution gestellt werden. Verfolgt man die russisch-avantgardistischen Entwicklungslinien, die sich aus dem Futurismus speisen, weiter, verstärkt sich dieser Eindruck. Spätere Komponisten betrachteten die Oktoberrevolution als Bestätigung ihrer der Arbeiterschaft vermeintlich nahestehenden Ästhetik. Dabei nahmen sie die Kluft zwischen Ungehörtem (beziehungsweise Unerhörtem) und der breiten Volksmasse nicht als solche wahr, sondern wollten die neuen Ausdrucksmittel als künstlerische Werkzeuge für die Überwindung einer überholten aristokra- tischen Kultur verstanden wissen. Die politische Revolution verlief in dieser Hinsicht zum Großteil kongruent zur musikalischen. Einer der bekanntesten musikalischen Avantgardisten der Post-Revolutionszeit, der Komponist Arse- nij M.  Avraamov, leitete die Radikalisierung der Geräuschmusik in weitere, der „linken“ Kunst zufließende Kanäle. Als Avraamov im Jahr der Oktoberre- volution nach Russland zurückkehrte,13 begann er mit der Konzipierung seiner Dampfpfeifensinfonien. Avraamov wurde dabei von Aleksej K.  Gastjev, einem 10 Die Nähe des italienischen Futurismus zum Faschismus wurde schon von Walter Benjamin in „Das Kunstwerk im Zeitalter seiner technischen Reproduzierbarkeit“ kritisch erläutert. Dass Marinetti nicht nur Kriegsverherrlichung betrieb, zeigt die Tatsache, dass das kriegerische Potential, die Zukunft zu verändern, als „prophetische Vorwegnahme des kommenden allgemeinen Wandels“ galt, von dem man sich auch das Ende der „Marginalisierung der Kunst“ schon vor dem Aufkommen des Futuris- mus versprach (vgl. Eva Hesse:  Die Achse Avantgarde-Faschismus. Zürich:  Die Arche 2000, S.  230f.). 11 Filippo Tommaso Marinetti:  Le Futurisme. Mailand:  A. Mondadori Editore 1980, S.  103. 12 Wenngleich zu sagen ist, dass die suprematistischen Künstler primär von der Provo- kation ausgingen (vgl. Ingold, Der große Bruch, S.  130). 13 Dort wurde er zum Volkskommissar für das Bildungswesen berufen.
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Der lange Schatten des ›Roten Oktober‹ Zur Relevanz und Rezeption sowjet-russischer Kunst, Kultur und Literatur in Österreich 1918–1938
Titel
Der lange Schatten des ›Roten Oktober‹
Untertitel
Zur Relevanz und Rezeption sowjet-russischer Kunst, Kultur und Literatur in Österreich 1918–1938
Autor
Primus-Heinz Kucher
Herausgeber
Rebecca Unterberger
Datum
2019
Sprache
deutsch
Lizenz
CC BY 4.0
ISBN
978-3-631-78199-9
Abmessungen
14.8 x 21.0 cm
Seiten
466
Kategorie
Kunst und Kultur
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