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Der lange Schatten des ›Roten Oktober‹ - Zur Relevanz und Rezeption sowjet-russischer Kunst, Kultur und Literatur in Österreich 1918–1938
Seite - 296 -
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Omasta und Mayr296 Außer den Schauspielern arbeiten wir hier mit 25 Musikern und einem Gesangs- und Sprechchor. Bei den Musikern handelt es sich um bekannte Namen; ein jeder ist ein Solokünstler. Die Aufnahmen werden von der Deutschen Grammophon gemacht. Der Aufnahmeleiter [Alois Johannes] Lippl hat die deutschen Texte umgeschrieben und schon einige Stummfilme erfolgreich vertont. Der Hauptakzent liegt nicht auf den weni- gen Sprechszenen, sondern auf der Konzeption einer Sinfonie. Wie man weiß, bietet der Potemkin gute Möglichkeiten für ein solches Verfahren; die Sprechszenen sollen die Handlung erklären und das Tempo beschleunigen.20 Dazu kommen allerhand Geräusche, für deren Erzeugung ein Ensemble von Geräten bereitsteht:  von der quietschenden Kaffeemühle über Steine in Sieben, Donnerbleche und klirrende Glasflaschen bis zu Ratschen, mit denen einzelne Schüsse oder Gewehrsalven vertont werden. Die Tonfilmfassung des Panzerkreuzer Potemkin von 1.353 Meter (Lauf- zeit:  ca. 49 Minuten) passiert am 1.8.1930 anstandslos die deutsche Zensur und wird einen Monat später, in der Woche vom 1.  bis 6.  September, auch in Wien eingereicht und von der Magistratsabteilung 52, der Filmprüfstelle, zur Vorfüh- rung freigegeben. Anders als fünf Jahre zuvor findet der Film bei der deutschen Kritik durchaus geteilte Aufnahme. Die hochgesteckten Erwartungen auch an die kommerziellen Aussichten dieser Veröffentlichung erfüllen sich mitnichten. Stellvertretend für das Echo in der deutschen Presse sei hier aus Herbert Iherings vernichtender Würdigung der Tonfilmversion zitiert: Die Matrosen reden jetzt. Organe, die zu den Gesichtern nicht passen, knarren Schlag- worte. Alles verschiebt sich. Alles verbiegt sich. Wenn früher der Bildschnitt sprechend war, so ist er jetzt zerstört zugunsten wirklicher Worte. Ein Filmdokument von histori- schem Wert ist vernichtet zugunsten einer falschen Augenblickssensation. Ein barbari- sches Unterfangen. Früher waren die Hungerrevolte, das schlechte Essen, die Würmer im Fleisch nur Anfang, nur Anlaß, der eine längst vorhandene revolutionäre Gärung zum Ausbruch bringt. Jetzt reden die Matrosen darüber, jetzt wird es banal, drama- turgisch überakzentuiert und dumm. Die schlechte Kopie einer Piscator-Aufführung. Ein Meisterwerk, das Epoche gemacht hatte, wird vernichtet. Nur ein Einzelfall? Oder Zeichen einer allgemeinen Verwirrung? Zeichen einer allgemeinen Haltlosigkeit? Sym- ptom für eine Reaktion, die nicht nur in Deutschland, die in Europa, die in der ganzen Welt festzustellen ist?21 20 Oswell Blakestone:  A Letter. In:  Close-Up, Nr.  3/1930, S.  213. 21 Herbert Ihering:  Singende Romanze und redender Panzerkreuzer. In:  Berliner Bör- sen-Courier (14.8.1930), S.  9.
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Der lange Schatten des ›Roten Oktober‹ Zur Relevanz und Rezeption sowjet-russischer Kunst, Kultur und Literatur in Österreich 1918–1938
Titel
Der lange Schatten des ›Roten Oktober‹
Untertitel
Zur Relevanz und Rezeption sowjet-russischer Kunst, Kultur und Literatur in Österreich 1918–1938
Autor
Primus-Heinz Kucher
Herausgeber
Rebecca Unterberger
Datum
2019
Sprache
deutsch
Lizenz
CC BY 4.0
ISBN
978-3-631-78199-9
Abmessungen
14.8 x 21.0 cm
Seiten
466
Kategorie
Kunst und Kultur
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