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Rudolf von Eitelberger und Joseph Daniel Böhm 61
reichen Bildhauern, Malern und Kunstliebhabern der 1830er und 1840er Jahre in Kon-
takt.53 Im Rahmen von salonähnlichen Zusammenkünften, die denen in der Sammlung
Fries ähnlich gewesen sein könnten, wurde im sogenannten »Abgebrannten Haus«54 an
den Nachmittagen über Kunst und Kunstgeschichte diskutiert.55 Dabei wurden »aus-
schliesslich Kunstfragen besprochen«.56 Insbesondere die jüngere Künstlergeneration
zeigte sich an den Treffen in Böhms Haus interessiert, da sie hier relativ frei und ohne
Zensur gegen das von staatlicher Seite an der Akademie geforderte Ideal auftreten
konnte.57
In der Diskussion über Kunst stand für Böhm stets das Objekt selbst im Zentrum.58
Er betonte die Individualität des Einzelkunstwerks mittels induktiver Methode stark
und setzte sich, gegen die vom Klassizismus geprägten streng formalen Ideale der An-
tike, verstärkt für eine Orientierung an gefühlvoll bewegten Darstellungen des Mittel-
alters ein. Damit befand er sich in einer durchaus gegensätzlichen Position zur Wiener
Akademie. Für Böhm lag das Hauptaugenmerk auf der Technik des Künstlers, dem
Stoff und den Mitteln, durch die das Kunstwerk entstand.59 Das richtige Verhältnis der
einzelnen Bestandteile zueinander und zum Ganzen, ob Farbe, Material, Wirkung oder
symbolische Bedeutung, sah er als Aufgabe der ›Kunst-Auffassung‹. Als ›Kunst-Dar-
stellung‹ bezeichnete er demnach das Ergebnis dieser Forderung : Im Sinne eines or-
ganischen künstlerischen Schaffens würde sich beides zu einem Ganzen entwickeln.60
Anhand von Einzelstudien würde sich auf allgemeine Gesetzmäßigkeiten schließen las-
sen. Böhm bemühte sich, »das Empfinden zu vermitteln, über das Handwerkliche und
53 Vgl. Eitelberger, Gesammelte kunsthistorische Schriften, I (zit. Anm.
5), S.
X.
54 Als »Abgebranntes Haus« wird das »Starhemberg’sche Freihaus am Naschmarkt« bezeichnet, Nähe
Wiedner Hauptstraße. Vgl. hierzu F. Czeike, IV. Wieden, Wiener Bezirkskulturführer, 4, Wien
[u. a.] 1979, S. 62 f.
55 Vgl. Eitelberger, Josef Daniel Böhm (zit. Anm.
5), S.
202.
56 Ebenda. Eitelberger betont hier, dass man sich ausschließlich Kunstfragen zuwandte. Es muss of-
fenbleiben, ob er dies hier vielleicht auch aus dem Grund unterstreicht, um damit der Frage, ob in
diesem bürgerlich-liberalen Umfeld auch Diskussionen mit politisch-kritischen Inhalten geführt
wurden, keinen Raum zu bieten.
57 Vgl. Eitelberger, Josef Daniel Böhm (zit. Anm.
5), S.
200.
58 Vgl. Schlosser, Die Wiener Schule der Kunstgeschichte (zit. Anm.
1), S.
148.
59 E. Henszlmann, Daniel Joseph Böhm, in : Oesterreichische Revue, 4, 1866, S. 110–127. Henszl-
mann versucht in seiner Darstellung, die er in Erinnerung an persönliche Zusammentreffen in den
Jahren 1834 bis 1840 sowie im Sommer 1848 verfasste, näher auf Böhms Herangehensweise an ein
Kunstwerk einzugehen. Er liefert mit seiner Darstellung zwar wichtige Anhaltspunkte zur Kunstbe-
trachtung Böhms, trotzdem muss offenbleiben, ob die darin geschilderten Äußerungen tatsächlich
Böhm oder stärker jene von Henszlmann selbst widerspiegeln.
60 Henszlmann, Böhm (zit. Anm.
59), S.
112.
Rudolf Eitelberger von Edelberg
Netzwerker der Kunstwelt
- Titel
- Rudolf Eitelberger von Edelberg
- Untertitel
- Netzwerker der Kunstwelt
- Autoren
- Julia Rüdiger
- Eva Kernbauer
- Kathrin Pokorny-Nagel
- Raphael Rosenberg
- Patrick Werkner
- Tanja Jenni
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Ort
- Wien
- Datum
- 2019
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-205-20925-6
- Abmessungen
- 17.0 x 24.0 cm
- Seiten
- 562
- Kategorie
- Biographien