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158 Robert Stalla
Die Stoßrichtung, die Kaiser Franz I. mit seiner neuen Lehranstalt zur Beförderung
der Nationalindustrie sowie der KĂĽnste und Gewerbe verfolgte, war eindeutig.9 Er zielte
auf die Neupositionierung der Habsburgermonarchie im internationalen Wettstreit der
Industrienationen.10 DiesbezĂĽglich genoss England, wie von Prechtl erkannt, einen
sichtbaren Vorsprung. Frankreich suchte mit der 1794 gegründeten École polytechnique
Anschluss, die aber 1804 von Napoleon zu einer Militärakademie umgewandelt worden
war11 und deshalb als Vorbild für Wien nicht mehr taugte. Im benachbarten Königreich
Bayern reagierte man 1815, zeitgleich zur GrĂĽndung des Wiener Polytechnikums, mit der
Einrichtung des Polytechnischen Vereins in München »für die vorzüglichsten Erzeugnisse
des bayrischen Kunst- und Gewerb-Fleißes«12. Ein wichtiger Vorreiter für das Wiener
Institut war Prag, wo das Ständische Polytechnische Institut, zwar noch mit bescheidene-
rem Anspruch, 1806 seinen Betrieb aufnahm.13
Als richtungsweisend darf der Entschluss gelten, die im ausgehenden 18. Jahrhun-
dert sich entwickelnde Kunstgeschichte, die in den ersten Jahrzehnten nicht »als auto-
nomes Fachgebiet betrieben [wurde], sondern Teil eines akademischen Diskurses ĂĽber
die Kunst [war], der in verschiedenen Studien- und Forschungsbereichen gefĂĽhrt wur-
de«,14 nun auch in den breiten Kanon der technischen Fächer aufzunehmen. Diesem
Entschluss lag die Ăśberzeugung des zukĂĽnftigen Direktors zugrunde, Formen nicht
9 AT-OeStA/AVA Unterricht StHK Teil 2 318 2, Ordnungsstatut vom 23. Oktober 1812. Hierzu
auch : Die k. k. Technische Hochschule in Wien 1815–1915 (zit. Anm.Â
1), S.Â
21.
10 Hierzu ausfĂĽhrlich das Kapitel Zweck, Charakter und Umfang des Instituts im Ordnungsstatut vom
23.10.1812, AT-OeStA/AVA Unterricht StHK Teil 2 318 2. Hierzu auch : Die k. k. Technische
Hochschule in Wien 1815–1915 (zit. Anm.Â
1), S.Â
20–22.
11 Zu dieser neuen Funktion der École polytechnique unter Napoleon siehe u. a. die Einschätzung aus
dem Blickwinkel des Polytechnikums in Prag : »[…] ihr Zweck [war] ausschließlich die Vorberei-
tung für die militärischen Spezialschulen und für die Spezialschulen des staatlichen Baudienstes in
Frankreich«. Die k. k. Deutsche Technische Hochschule in Prag 1806–1906. Festschrift zur Hun-
dertjahrfeier (i. A. des Professorenkollegiums), Prag 1906, S. 5. Zur École polytechnique siehe : B.
Belhoste, Les origines de l’École Polytechnique. Des anciennes d’ingénieurs a l’Ecole Centrale des
Travaux Publics, Histoire de l’Education, Paris 1989.
12 Erster Jahresbericht über den polytechnischen Verein für das König-Reich Bayern, München 1817,
S. 3. Zum Polytechnischen Verein siehe besonders : H. Pfisterer, Der Polytechnische Verein und
sein Wirken im vorindustriellen Bayern (1815–1830), München 1973.
13 Zur GrĂĽndungsgeschichte des Prager Polytechnikums siehe : Die k. k. Deutsche Technische Hoch-
schule in Prag 1806–1906 (zit. Anm.Â
11), bes. S.Â
3–7 ; J.Â
J. Boehm, Die Deutsche Technische Hoch-
schule in Prag und ihre Vorstufen. Zweieinviertel Jahrhunderte akademische deutsche Ingenieurs-
ausbildung (1718–1945). Sudetendeutsche Akademie der Wissenschaften und Künste, Naturwis-
senschaftliche Klasse, MĂĽnchen 1991, bes. S.Â
54–62.
14 Nämlich »in ›Archäologie und Kunstgeschichte‹, in ›Literatur- und Kunstgeschichte‹, innerhalb
der Philosophie und hier wieder der philosophischen Ästhetik und innerhalb des akademischen
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Rudolf Eitelberger von Edelberg
Netzwerker der Kunstwelt
- Titel
- Rudolf Eitelberger von Edelberg
- Untertitel
- Netzwerker der Kunstwelt
- Autoren
- Julia RĂĽdiger
- Eva Kernbauer
- Kathrin Pokorny-Nagel
- Raphael Rosenberg
- Patrick Werkner
- Tanja Jenni
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Ort
- Wien
- Datum
- 2019
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-205-20925-6
- Abmessungen
- 17.0 x 24.0 cm
- Seiten
- 562
- Kategorie
- Biographien