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rüstig (wiewohl nicht immer ohne Gewissensbisse) auf der betretenen
Bahn der Magyarisirung oder des „Auffressens" der übrigen
Nationalitäten in ihren Ländern vorwärts. Wohl weiß ich, daß
sie ihr Benehmen auch durch andere, staatliche und humanitäre,
Borwände zu bemänteln wissen, aber eben fo gut weiß ich, daß
sich durch ihre Reden lein vernünftiger Mensch blenden läßt.
Furcht pflegt ein schlechter Rathgeber zu fein, und wohl sollten
sie zur Sicherheit für ihre Zukunft unverweilt einen andern Weg
betreten. Denn geben wir zu, daß es ihnen gelingen follte, hie
und da von dem kräftigen slavifchen Stamme einen Ast ab-
zuhauen oder abzunagen, ja nehmen wir an (posito 86ä nou
conovLso), daß sie endlich alle Slaven in ihrem Gebiete zu Magya-
ren machen werden, fo werden sie auch dann noch schwächer sein,
als ihre Gegner, die durch ein solches Jahrhunderte lang be-
triebenes Auffressen der fremden Nationen genirt, von Neuem und
zwar mit vereinten Kräften gegen sie aufstehen werben, und die
Magyaren werden gegen das Wiedervergeltungsrecht kaum noch
Protestiren können. Wer sich schwach fühlt, darf feine Zuflucht
nicht zur Gewalt nehmen, da dieses Schwert immer zweischneidig
ist, sondern er sollte sich mit Dem verbinden, was auf Erden
das Mächtigste ist, auf daß er dadurch stets von Neuem ge-
kräftigt werde. Es ist dies das Recht und die Gerechtigkeit, die
durch Gewalt oft und lange gedrückt, nach vorübergehender Nieder-
lage zu immer größerer Kraft sich erheben und da sie Gott felbft
zum Hort haben, endlich allen höllischen Mächten obsiegen werden.
So werden auch die Magyaren ihre Zukunft gewiß besser dadurch
wahren, wenn sie mit gewohnter Energie den Grundsatz ver-
Hetdigen: „Was du selbst nicht willst, thue auch Anderen nicht
an", als wenn sie sich in ein „bellum omnium contra onmv8"
einlassen. Wie das Princip der nationalen Gleichberechtigung in
ihren Ländern durchgeführt werden follte, ist zwar eine nicht leichte,
aber keineswegs für sie unmögliche Aufgabe, wenn sie zu ihrer
Lösung nur so viel guten Willen bringen, als sie natürliche Be-
gabung besitzen.
Über das Benehmen der Deutschen, besonders der österrei-
chischen, mag ich mich eines längeren nicht auslassen: müßte ich
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Buch Österreichs Staatsidee"
Österreichs Staatsidee
- Titel
- Österreichs Staatsidee
- Autor
- Franz Palacký
- Verlag
- I. L. Kober Verlag
- Ort
- Prag
- Datum
- 1866
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- PD
- Abmessungen
- 14.7 x 21.5 cm
- Seiten
- 110
- Kategorien
- Geschichte Vor 1918