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nunmehrigen österreichischen Staates aus; der Einfall der Ma-
gyaren wurde aber für die Slaven das Haupthinderniß, daß sie
sich im Verlaufe der Zeit nicht zu einem organischen, staatlichen
und nationalen Ganzen vereinigten, wie es inzwischen ihren beut«
scheu Nachbarn gelungen war.
Daß sich Nationen von so verschiedenartiger Abstammung vor
mehr als drei Jahrhunderten durch freiwillige Vertrüge im öfter-
reichischen Staate zu einem staatlichen Ganzen vereinigt haben,
halte ich für eine große Wolthat, die die göttliche Vorsehung den Na-
tionen selbst zu Theil werden ließ. Nehmen wir an, daß dies
nicht geschehen würe, und baß eine jede von diesen Nationen ihre
volle Suverenitllt behalten Hütte: wie viele und wie blutige
Kümpfe Hütten sie wohl feit der Zeit wechselseitig bestanden! viel-
leicht Hütte auch manche von ihnen darin bereits ihren Untergang
gefunden! Zwar bot diese Vereinigung weniger Spielraum für
den Ehrgeiz und die Herrschgier einzelner Personen unter ihnen:
aber schwand etwa damit auch die Gelegenheit zum ehrenvollen
staatsbürgerlichen Wirten? Die aus der Vergewaltigung Anderer
hergeleitete sogenannte Ehre unterscheidet sich ja von. der Ehre
oder vielmehr Schande des RüuberS nicht ihrem Wesen, fondern
nur der Größe ihres Maaßes nach. Wenn aber Jemand be-
hauptet, daß diese Vereinigung nicht immer zum Heile der einzelnen
Theile des Ganzen sich gestaltete, so will ich keineswegs lüugnen,
daß gar Vieles geschah, was nicht Hütte geschehen sollen und daß
so Manches besser Hütte vollführt werden sollen. Indessen gehört
ein gerechtes Urtheil über die Vergangenheit nur Gott und der
Geschichte an; politische Erwägungen sollen zwar aus der Vergan-
genheit Belehrung schöpfen, ihr Augenmerk aber nur auf die
Gegenwart und Zukunft richten, damit wenigstens aus dem staat-
lichen Organismus dasjenige entfernt werde, was sich in der
Vergangenheit als hindernd und schädlich erwiesen hat.
Da ich diese Wahrheiten mehr oder weniger klar bereits da-
mals einsah, als ich am 11 April 1848 meine bekannte Erklä-
rung an die Frankfurter Versammlung richtete, äußerte ich mich
zuerst dahin: „Wahrlich, existirte der österreichische Kaiserstaat nicht
schon lüngst, man müßte im Interesse Luropa's, im Interesse der
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Buch Österreichs Staatsidee"
Österreichs Staatsidee
- Titel
- Österreichs Staatsidee
- Autor
- Franz Palacký
- Verlag
- I. L. Kober Verlag
- Ort
- Prag
- Datum
- 1866
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- PD
- Abmessungen
- 14.7 x 21.5 cm
- Seiten
- 110
- Kategorien
- Geschichte Vor 1918