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«tch damals, daß sie Deutsche waren? Nach jahrelangen, blutigen
Kämpft«, in denm stets materielles und numerisches Übergewicht
aber auch ungeheuere und fast wunderbare Niederlagen an ihrer
Seite waren, folgte die in der ganzen Weltgeschichte unbekannte
Erscheinung, daß ungeheuere deutsche Armeen, von halb Europa
ausgerückt und von den besten Feldherren ihrer Zeit geführt, endlich
vor lauter Furcht früher noch die Flucht ergriffen, bevor es zur
entscheidenden Schlacht kommen konnte, und daß endlich das große
Bafler Eoncilium feine friedlichen Verhandlungen mit den Böhmen
dadurch entschädigte, daß diese, «8orut»bjli äivino juäioio, nicht
anVers als wieder durch Böhmen hätten besiegt werden können
(bei Lipan). Ich glaube, daß den heutigen Deutschen solche Er-
wähnungen keineswegs angenehm sind und daß sie sich dessen
ungern erinnern: wir werden uns aber doch erlauben, es für sie
und auch für uns in Erinnerung zu bringen, so oft sie sich un-
gerecht überheben und uns für eine niedrigere Nace als sie sind,
erklären werden. Auch wir behaupten nicht, daß in den Hussiten-
kriegen die Böhmen ein von Natur aus begabteres, triftigeres und
edleres Voll gewesen wären; aber nach meiner Überzeugung war
damals das gesammte geistige Leben bei den Böhmen viel auf-
geweckter, reger und ausgebreiteter, als verhältnißmäßig bei den
Deutschen, Dank der bildeuden Fürsorge Karl's IV, des Vaters
bes Vaterlandes — weswegen sie auch durch ihren Geist hervor-
ragten und obsiegten, so lange sie nicht durch unvorsichtiges und
thörichtes Beginnen ihrer Borzüge verlustig wurden. Auch lüugne
ich nicht, daß in unseren Tagen die deutsche Nation im Großen
und Ganzen eine höhere Stufe der geistigen Bildung und Thätig-
teit. erreicht habe, als wir Böhmen oder die übrigen Slaven;
haben ja seit zwei Jahrhunderten nicht nur die ausländischen Deut»
schen in ihrer Bildung unbehindert erfreulich fortschreiten können,
sondern alles, was auch in unserem Lande von der Regierung ftr
geistigen Fortschritt gethan wurde (freilich war dessen m«P viel>,
geschah ausschließlich nur zum Vortheile des deutschen Elements,
dem auch wir uns wider Willen fügen mußten; und es braucht
wohl nicht erörtert zu werden, ob wir den relativ nicht unbedeu-
tenden Grad unserer jetzigen nationalen Bildung mit Willen und
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Buch Österreichs Staatsidee"
Österreichs Staatsidee
- Titel
- Österreichs Staatsidee
- Autor
- Franz Palacký
- Verlag
- I. L. Kober Verlag
- Ort
- Prag
- Datum
- 1866
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- PD
- Abmessungen
- 14.7 x 21.5 cm
- Seiten
- 110
- Kategorien
- Geschichte Vor 1918