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6. Das Wirtschaftsimperium 285
talistischen Land“ nur unaufmerksam untersucht hätten. Daraus hätten sich
jedoch ungünstige Reformen ergeben, verriet Direktor Kozlov weiter.530 Die
aus Österreich gelieferten Informationen bzw. Beschwerden ermöglichten
somit wiederum der Parteispitze, Ministerien und Organisationen wie die
GUSIMZ sowie deren Exponenten zu kontrollieren.
Wie sich bald zeigen sollte, waren neben der verzweigten Befehlshierar-
chie vor allem auch Kaderprobleme und die kommunistische planwirtschaft-
liche Struktur für zunehmende Unannehmlichkeiten in den sowjetischen Be-
trieben in Österreich verantwortlich. Zwar habe beispielsweise die USIA 1952
ihren Jahresplan „bei allen wichtigen Kennziffern“ übererfüllt, doch, so die
interne Kritik, würden diese Durchschnittsnormen „nicht die wahre Lage der
USIA-Betriebe offenbaren, die äußerst besorgniserregend“ sei.531 Verschlech-
tert wurde die Situation zudem durch den Marshallplan, in dem die Sowjets
von Anfang an einen mächtigen Feind von außen sahen. Heftige Propagan-
daschlachten waren die Folge.
6.4 Feindbild Marshallplan
Neben zahlreichen internen Problemen im Wirtschaftssektor hatte die sowje-
tische Besatzungsmacht aber vor allem auch gegen einen mächtigen „Feind“
von außen zu kämpfen – das auch als „Marshallplan“ bezeichnete European
Recovery Program (ERP). Das Aufeinanderprallen zweier vollkommen kon-
trärer ideologischer Systeme in Österreich manifestierte sich besonders au-
genscheinlich in diesem Bereich. Da die Sowjetunion und in weiterer Folge
auch die KPÖ den Marshallplan klar ablehnten, die österreichische Bundesre-
gierung diesen jedoch ebenso klar befürwortete, schien ein jahrelanger Kon-
flikt um das Europäische Wiederaufbauprogramm unausweichlich.532
Die Sowjets erachteten es als „zielführend“, bei den Sitzungen des Alliier-
ten Rates wiederholt gegen den Marshallplan zu protestieren, um sich gegen
530 RGANI, F. 5, op. 30, d. 34, S. 20–22, Bericht von A. P. Kozlov an Chruščev über Probleme bei der
SMV, 21.4.1953.
531 RGASPI, F. 17, op. 137, d. 918, S. 75–201, hier: S. 182, Bericht über die Arbeit der SČSK und des
Politberaters der UdSSR in Österreich 1952, 28.2.1953. Diesen Bericht übersandten Sviridov und
Kudrjavcev am 28.2.1953 an das ZK der KPdSU (Smirnov).
532 Wilfried Mähr, Der Marshall-Plan in Österreich. Graz 1989, S. 106–115; Günter Bischof – Martin
Kofler, Austria’s Postwar Occupation, the Marshall Plan, and Secret Rearmament as „Westernizing
Agents“ 1945–1968, in: Günter Bischof – Anton Pelinka (Hg.), The Americanization/Westernization
of Austria. Contemporary Austrian Studies Bd. 12. New Brunswick – London 2004, S. 199–225, hier:
S. 201f. Zur Propagierung des Marshallplans vgl. Günter Bischof – Dieter Stiefel (Hg.), Images of
the Marshall Plan in Europe. Films, Photographs, Exhibits, Posters. Hannes Richter, Digital Editor.
Innsbruck – Wien – Bozen 2009.
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Stalins Soldaten in Österreich
Die Innensicht der sowjetischen Besatzung 1945–1955
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
- Titel
- Stalins Soldaten in Österreich
- Untertitel
- Die Innensicht der sowjetischen Besatzung 1945–1955
- Autor
- Barbara Stelzl-Marx
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Ort
- Wien
- Datum
- 2012
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY-NC-ND 3.0
- ISBN
- 978-3-205-78700-6
- Abmessungen
- 15.5 x 23.0 cm
- Seiten
- 874
- Kategorien
- Geschichte Nach 1918