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1318.
Jänner 1848
idee aufgefaßt und an Pázmándy nach Preßburg einen sehr schönen Brief
geschrieben, um ihm und seiner Parthey namens der böhmischen stände
für seine Anregung der konstitutionellen Bewegungen in den erbländern
zu danken, und er schickt mir davon eine Abschrift. leider aber ist es nur
ein Brief, während ich eine Adresse mit mehreren unterschriften wollte. ich
muß bald nach Wien, lange halte ich es nicht aus, denn ich habe ein dunkles
gefühl, daß jetzt wichtige dinge vorgehen werden.
diese täglichen nachrichten und das ungeschickte Benehmen der regie-
rung regen mich sehr unangenehm auf, verderben meinen humor und ma-
chen mir die langweile hier noch fühlbarer, eigentlich aber sollte ich nicht
vergessen, daß dieses Alles in meinen kram paßt, meine Berechnungen ver-
wirklicht und das dénouement beschleunigt.
ich erhole mich von meiner üblen laune durch gelegentliche courma-
cherey bey resi thurn, welche Beschäftigung mir ziemlich vom herzen
geht und wenigstens bis jetzt recht gut aufgenommen wird. da ich hier un
personnage de marque bin, so bemüht sich ein Jeder, mir so gescheidt als
möglich vorzukommen, was mich oft grausam ennuyirt, eine sehr amusante
kleine Person ist Bebe strozzi sowie auch ihre schwester Jane Pallavicini.
[venedig] 18. Jänner
ich ennuyire mich hier ziemlich bedeutend, hätte ich nicht einen besonderen
Zweck, so wäre ich schon heimgekehrt, so ohne Beschäftigung halte ich es
zuhause selten länger als bis 2 uhr aus. dann gehe ich aus, aber wohin?
manchmal mache ich ein paar langweilige Besuche, die größte Zeit aber ver-
bringe ich damit, am marcusplatze auf und ab zu gehen, wo ich aber fast
niemand treffe als die Palffys, Jablonowskys etc. um 5 uhr esse ich schänd-
lich schlecht in einer elenden kneipe, die aber doch die einzige ist, in gesell-
schaft eines haufens von offizieren, wo immer und ewig dasselbe thema,
die tagespolitik, d.h. die italienischen geschichten, vom lieutenantsstand-
punkte aus verhandelt wird. von 7 uhr an weiß ich, wenn ich nicht zu ma-
thilde schwarzenberg gehe, gar nicht, was ich anfangen soll. gegen 9 gehe
ich in die fenice, wenn sie offen ist, sonst zu Palfy oder thurn, und nach dem
theater trinke ich entweder einen schlechten thee bey florian ganz einsam,
weil die dortige gesellschaft jetzt aus lauter ekelhaften italienischen lions
besteht, oder gehe ich ins casino nobile, wo immer die nämlichen 4–5 men-
schen sind: Allegri, mocenigo, maniago, michiel, da mula etc., wo ich aber
aus klugheitsrücksichten nicht zu oft hingehe, weil da oft sachen gesagt
werden, die ich nicht hören will, den hiesigen damen gehe ich mit wenigen
Ausnahmen nicht in die nähe, unter den fremden gibt es zwar manche, die
einer näheren Bekanntschaft werth wären, doch liegt es nicht in meinem
Plane, mich ihnen mehr als ganz oberflächlich zu nähern. clotilde lottum
„Österreich wird meine Stimme erkennen lernen wie die Stimme Gottes in der Wüste“
Tagebücher 1839–1858, Band II
- Titel
- „Österreich wird meine Stimme erkennen lernen wie die Stimme Gottes in der Wüste“
- Untertitel
- Tagebücher 1839–1858
- Band
- II
- Autor
- Viktor Franz Freiherr von Andrian-Werburg
- Herausgeber
- Franz Adlgasser
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Ort
- Wien
- Datum
- 2011
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY-NC-ND 4.0
- ISBN
- 978-3-205-78612-2
- Abmessungen
- 17.0 x 24.0 cm
- Seiten
- 716
- Schlagwörter
- Viktor Andrian-Werburg (1813 - 1858), Revolution 1848, Austrian Neoabsolutism, Austria future (1842), Late Vormärz, Reform and Repression
- Kategorie
- Biographien