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1520.
Jänner 1848
wahrscheinlich nicht mehr lange ausbleiben werden, werden das Alles wie-
der ins geleise bringen.
deyms Brief an Pazmandy habe ich an doblhoff geschickt und ihm zu-
gleich über die hiesigen Zustände in demselben sinne wie neulich an deym
geschrieben. Zugleich habe ich einen Auszug aus demselben an lerchenfeld
für gervinus und überhaupt zur möglichsten veröffentlichung geschickt.
moering als meinen cabinetssekretär habe ich veranlaßt, aus Anlaß eines
gerüchtes: als hätte die regierung vom kaiser von rußland 60 millionen
entlehnt, sich über das verderbliche einer solchen maßregel auszusprechen,
möge das gerücht nun gegründet seyn oder nicht, so kann dieses nie scha-
den. von kolb habe ich noch keine Antwort, wiewohl ich aus der gestrigen
Allgemeinen Zeitung entnehme, daß er meinen Brief erhalten hat, indem er
ein paar Worte daraus zitirt.
diese nacht sind hier Advokat manini und tommaseo verhaftet und dem
criminalgerichte übergeben worden, vor ein paar tagen ist in Padua ein
gleiches mit dem Advocaten calvi geschehen.
[venedig] 20. Jänner
gestern ist eine kaiserliche Proclamation erschienen, welche in sehr festen
würdigen Worten abgefaßt ist, kein Wort von concessionen etc. enthält, son-
dern bloß ganz kurz sagt, der kaiser habe immer die Wohlfahrt des lom-
bardo venezianischen königreiches wie die aller seiner übrigen länder zu
seinem angelegentlichsten geschäfte gemacht und werde es auch ferner ma-
chen. er sey entschlossen, diese gegen alle Angriffe, woher sie auch kommen
mögen, zu vertheidigen, und rechne hierbey auf den gesunden sinn der mehr-
zahl der Bewohner sowie auf seine Armee, welche immer die stütze des thro-
nes und das Bollwerk des staates gegen Anarchie und rebellion gewesen sey.
damit sind nun des vicekönigs beyde hanswurtiaden complet désavouirt,
und hätte der mann ehre im leibe, so würde er seiner Wege gehen, aber
die jährlichen 500.000 fl gehen ihm freylich über Alles. doch erzählte mir
gestern Abends der Polizeydirektor, daß damit zugleich ein Allerhöchstes
cabinetsschreiben an die gouverneurs gekommen sey, welches in milderem
tone abgefaßt sey und von concessionen spreche. ob nun dieses ebenfalls
veröffentlicht werden wird, weiß ich nicht. die Polizey entwickelt nun seit ei-
nigen tagen eine größere thätigkeit, und man bemerkt auch hier schon die
guten früchte derselben. ich fürchte nur, der erzherzog wird wieder mittel
finden, Alles zu paralysiren.
eine andere sehr wichtige neuigkeit erzählte man sich gestern: eskeles
soll Bankerott gemacht haben!1 das wäre nicht nur ein entsetzlicher schlag
1 das Wiener Bankhaus Arnstein & eskeles war tatsächlich zahlungsunfähig, es wurde je-
„Österreich wird meine Stimme erkennen lernen wie die Stimme Gottes in der Wüste“
Tagebücher 1839–1858, Band II
- Titel
- „Österreich wird meine Stimme erkennen lernen wie die Stimme Gottes in der Wüste“
- Untertitel
- Tagebücher 1839–1858
- Band
- II
- Autor
- Viktor Franz Freiherr von Andrian-Werburg
- Herausgeber
- Franz Adlgasser
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Ort
- Wien
- Datum
- 2011
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY-NC-ND 4.0
- ISBN
- 978-3-205-78612-2
- Abmessungen
- 17.0 x 24.0 cm
- Seiten
- 716
- Schlagwörter
- Viktor Andrian-Werburg (1813 - 1858), Revolution 1848, Austrian Neoabsolutism, Austria future (1842), Late Vormärz, Reform and Repression
- Kategorie
- Biographien