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20 Tagebücher
giovannino serbelloni, um eine von ihm erfundene kochmaschine zu probi-
ren, es wäre nach Allem noch immer nicht so übel hier, wenn nur das Wet-
ter besser wäre und man sich der italienischen sonne erfreuen könnte, statt
dessen aber hatten wir nun durch 3–4 tage schnee und regen und nun zwar
heitere tage, aber Bora und eine grimmige kälte.
[venedig] 31. Jänner
das Wetter ist wahrhaftig zum verzweifeln, nachdem wir eine beynahe un-
ausstehliche kälte und Bora, 6° unter 0, hier empfindlicher als 20° bey uns,
gehabt haben, hatten wir 2 schöne tage, und heute schneyt es schon wieder.
foutre.
ich hoffe, wenn das Wetter und mithin die Wege nicht gar zu schlecht sind,
donnerstag den 3. Abends von hier fortzugehen und am 6. früh in Wien zu
seyn, ist es aber zu arg, so gehe ich am 7. Abends und bin am 10. in Wien, denn
ich will d’un trait bis Wien fahren, wiewohl frank mir aus grätz schreibt, es
sey der Wunsch der steyermark, mich eine Zeit lang zu besitzen, ich sage wie
Andreas hofer: g’sagt hab’ i eng’s, g’segen habts mi, jetzt b’hüt’ eng gott. die
leute sind dort noch nicht à la hauteur nécessaire, man muß sie sich selbst von
innen heraus entwickeln lassen, übrigens bin ich jetzt der Ansicht geworden,
daß die ereignisse schneller und kräftiger für uns arbeiten, als wir selbst es
unter den gegenwärtigen umständen vermöchten, es ist genug, wenn die oe-
sterreicher und allenfalls die Böhmen, und selbst diese nur en seconde ligne,
den jetzigen Augenblick begreifen und vor die Bresche stehen, die Anderen
werden dann ungefragt nachgezogen. Jenes zu bewirken, ist mir daher jetzt
vor Allem Andern wichtig, und dazu hoffe ich, wird meine Aufnahme in das
niederösterreichische ständische consortium ein großer schritt seyn. übrigens
höre ich nicht viel neues aus Wien, die italienischen sachen scheinen end-
lich dort einen großen eindruck zu machen, mich schaudert schon im voraus,
wenn ich an den nonsense denke, welchen lato Wrbna jetzt schwätzen wird.
in sicilien haben die königlichen truppen das feld räumen müssen,1 der
könig hat große concessionen gemacht, die sicilianer haben sich aber da-
mit nicht zufriedengestellt und wollen nur an Bord eines englischen kriegs-
schiffes unterhandeln. lord Palmerston, der ärgste brouillon, den die Welt
gesehen, hat hier die hände im spiel, hoffentlich bricht dem schandkerl sein
Benehmen in griechenland und namentlich seine letzte pöbelhafte depêche
an sir e. lyons in Athen den hals.2
1 die königlichen truppen mit Ausnahme der garnison in messina verließen am 29.1.1848
die insel.
2 diese note des britischen Außenministers an seinen gesandten in Athen im Zuge der un-
ruhen in Patras ende 1847 wurde weitgehend als ungerechtfertigte einmischung in die
„Österreich wird meine Stimme erkennen lernen wie die Stimme Gottes in der Wüste“
Tagebücher 1839–1858, Band II
- Titel
- „Österreich wird meine Stimme erkennen lernen wie die Stimme Gottes in der Wüste“
- Untertitel
- Tagebücher 1839–1858
- Band
- II
- Autor
- Viktor Franz Freiherr von Andrian-Werburg
- Herausgeber
- Franz Adlgasser
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Ort
- Wien
- Datum
- 2011
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY-NC-ND 4.0
- ISBN
- 978-3-205-78612-2
- Abmessungen
- 17.0 x 24.0 cm
- Seiten
- 716
- Schlagwörter
- Viktor Andrian-Werburg (1813 - 1858), Revolution 1848, Austrian Neoabsolutism, Austria future (1842), Late Vormärz, Reform and Repression
- Kategorie
- Biographien