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Februar 1848
was ähnliches gab mir auch schon graf kolowrat zu merken. Aber meine
Zeit ist noch nicht gekommen.
einstweilen müssen die stände, die mitte märz zusammentreten, eine
energische manifestation, eine Art petition of rights, als erstes document
des konstitutionellen oesterreich machen, und sie werden es auch, wie ich
glaube. nicht nur können sie dadurch den letzten Anstoß zu einem ohnehin
unvermeidlichen ereignisse geben, sondern sie sind es auch ihrer stellung
und Zukunft schuldig, um sagen zu können: dixi et salvavi animam. in der-
selben versammlung hoffe ich aufgenommen zu werden.
in italien kommen jetzt Attentate und mordthaten gegen offiziere und
soldaten an die reihe, wie lange wird man hier noch ruhig zusehen? Wie
neipperg schimpft, kann man sich denken, denn er ist großmeister in dieser
kunst.
neulich zu meiner großen freude sah ich bey hartig meine alte freun-
dinn carpani, sie hat, von ihren freunden gewarnt, mailand verlassen müs-
sen und lebt nun seit einem monathe in Wiener neustadt. ich besuchte sie
tags darauf bey gräfinn Banffy und ließ mir geschichten erzählen.
der carneval ist, unbegreiflich genug, sehr brillant, ich habe aber davon
bis jetzt noch nicht viel anderes mitgemacht als mittwoch einen magnifiquen
Ball bey lichtenstein, ein paar diners etc., am 13. eine redoute in altge-
wohnter Weise. es scheint mir bis jetzt nicht, daß die gesellschaft von den
Zeitereignissen in einer andern Weise berührt ist als durch ein vages gefühl
von furcht und italien gegenüber durch unwillen und verachtung. Aber von
meiner lieblingsidee: unter den hiesigen Weibern für unsere sache zu re-
krutiren, sind wir noch so weit als je, und ich bin auch nicht der mann und
habe nicht die Zeit dazu, den versuch zu machen.
in ungarn gehen die sachen für die regierung schlecht. die Administra-
torenfrage nimmt kein ende, da wird incriminirt und recriminirt, die re-
gierung benimmt sich ungeschickt, die erbitterung steigt, kurz die alte ge-
schichte. Auch die Popularität erzherzog stephans nimmt rasch ab, man
will nun sogar schon mit Auflösung drohen. übrigens ist die opposition
ebenso ungeschickt. kossuth hat sich mit szentkirályi überworfen, die croa-
ten werden systematisch zur Wuth gebracht, und in der nationalitäts- und
indigenatsfrage hat sich ganz derselbe enge provincielle eifersüchtig magya-
rische geist gezeigt wie früher. unsere Bemühungen haben also für jetzt
wenig gefruchtet, übrigens drängen die ereignisse, und jene Bestrebungen
liegen schon weit hinter uns.
eine Adresse der hiesigen stände an die ungarische opposition aus Anlaß
der dortigen Adressedebatten war vorbereitet, unterblieb aber in folge eben
dieser exclusiven, antiösterreichischen Weise, in welcher jenes gesetz be-
handelt wurde. übrigens soll Apponyi auf schwächern füßen stehen als je.
„Österreich wird meine Stimme erkennen lernen wie die Stimme Gottes in der Wüste“
Tagebücher 1839–1858, Band II
- Titel
- „Österreich wird meine Stimme erkennen lernen wie die Stimme Gottes in der Wüste“
- Untertitel
- Tagebücher 1839–1858
- Band
- II
- Autor
- Viktor Franz Freiherr von Andrian-Werburg
- Herausgeber
- Franz Adlgasser
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Ort
- Wien
- Datum
- 2011
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY-NC-ND 4.0
- ISBN
- 978-3-205-78612-2
- Abmessungen
- 17.0 x 24.0 cm
- Seiten
- 716
- Schlagwörter
- Viktor Andrian-Werburg (1813 - 1858), Revolution 1848, Austrian Neoabsolutism, Austria future (1842), Late Vormärz, Reform and Repression
- Kategorie
- Biographien