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März 1848
doch nicht lange darauf rechnen, besonders bey dem vorgange ungarns. ob
dieses gesetz, wobey sich Batthyány von kossuth über den gänsedreck hat
führen lassen, sanctionirt wird oder nicht, scheint noch nicht bestimmt zu
seyn, was aber auch geschehen mag, so war es jedenfalls eine Brandrakete
ins volk sehr zur unrechten Zeit geschleudert. Aus mähren sind Wl. mitt-
rowsky und A. Wittmann, aus Böhmen fürst salm, Alb. nostitz, Pepi thun
und zwey bürgerliche gutsbesitzer da, um wegen dieser Angelegenheit zu
sprechen und die Ansichten der regierung zu hören, heute sind sie bey Pil-
lersdorff. sie sind Alle einverstanden, daß roboth und Zehent binnen kürze-
ster frist aufhören müssen, und möchten nur eine entschädigung, und zwar
eine theilweise, bekommen.
Am 28. treten die stände hier, am 30. in Prag und Brünn zusammen.
da wird dann in dieser richtung etwas ausgearbeitet werden, vielleicht
auch wegen der errichtung von hypothekenbanken, denen die regierung
jetzt ihre einwilligung nicht mehr versagen kann, um so mehr, als auch
jeder grund der Befürchtung für die staatspapiere wegfällt, sobald die
staatschuld von den reichsständen anerkannt seyn wird. daß dieß gesche-
hen werde, ist kaum ein Zweifel, obwohl die theilnahme ungarns, welches
in dem jetzigen momente bey der gewaltsamen erschütterung seiner fi-
nanzlage durch Aufhebung der urbariallasten und die Aviticität kaum et-
was neues auf sich nehmen kann, einen großen Zankapfel bilden wird.
Weiters will man, daß die verschiedenen Provinzialstände sich jetzt be-
schäftigen sollen: a. mit einer comunalordnung, b. mit einer reform ihres
institutes durch verstärkte vertretung des 4. standes, in dieser letzteren
Beziehung ist so eben ein Allerhöchstes handschreiben erflossen, ich aber
meine, eine reorganisirung der Provinzialstände und der centralständische
verfassungsentwurf müßten aus einem gusse, daher von der regierung,
d.h. einem von ihr niedergesetzten comité hervorgehen.
hier nimmt der democratische geist der Bewegung zu meinem großen
verdrusse mit jedem tage zu, die Aristokratie verhält sich passiv, da muß
sie überflügelt werden. die stände wollten hier ein comité zur Ausarbei-
tung eines verfassungsentwurfes niedersetzen und mich in dasselbe wäh-
len, bey den vorbesprechungen, welche darüber stattfanden, sah ich mit
Bestürzung, daß die leute von einer erblichen Pairie nichts mehr wissen
wollen, daß ihnen auch meine idee der vereinigten Ausschüsse, wobey den
Provinzialständen ein großer theil ihrer Berechtigung verbliebe, nicht mehr
genügt, sondern daß sie ein vollständiges Zweykammersystem wollen, mit
einer wählbaren 1. kammer. ich aber halte eine solche centralisirte verfas-
sung bey den jetzigen provinziellen und nationalen eifersüchteleyen für un-
möglich, es würde zur scission führen. Zum glücke ist aus jenem comité
nichts geworden, indem montecuccoli im nahmen der regierung dessen er-
„Österreich wird meine Stimme erkennen lernen wie die Stimme Gottes in der Wüste“
Tagebücher 1839–1858, Band II
- Titel
- „Österreich wird meine Stimme erkennen lernen wie die Stimme Gottes in der Wüste“
- Untertitel
- Tagebücher 1839–1858
- Band
- II
- Autor
- Viktor Franz Freiherr von Andrian-Werburg
- Herausgeber
- Franz Adlgasser
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Ort
- Wien
- Datum
- 2011
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY-NC-ND 4.0
- ISBN
- 978-3-205-78612-2
- Abmessungen
- 17.0 x 24.0 cm
- Seiten
- 716
- Schlagwörter
- Viktor Andrian-Werburg (1813 - 1858), Revolution 1848, Austrian Neoabsolutism, Austria future (1842), Late Vormärz, Reform and Repression
- Kategorie
- Biographien