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Juli 1848
von fürth und nürnberg, deren Anrede ich als chef der deputation zuerst
beantwortete. in fürth wurden wir mit kanonendonner, unzähligen flin-
tenschüssen, hochs, nationalgarde, fahnen und reden etc. empfangen.
noch ärger wurde es in nürnberg, wo sich sodann noch die liedertafel vor
unserem gasthofe producirte. raveaux, sauken etc. sprachen vom fenster
herab. dann soupirten wir im saale, und ich brachte einen toast auf die
stadt nürnberg aus etc.
Am 2. ging es weiter, bald mehr, bald minder feyerlich, eine stunde vor
regensburg wurden wir wieder von einer deputation empfangen, und wir
fuhren sodann mit ihr (ich in einem Wagen mit kaufmann neuffer und
rotenhan) an regensburg vorüber zur Walhalla. diese entzückte mich,
wenn nur die bemahlte decke und caryatiden nicht gewesen wären. unser
einzug in regensburg war ganz sowie gestern in nürnberg, sodann auch
wieder reden, liedertafel, souper, toasts etc.
ich fühlte es auf dieser tour wieder recht lebhaft, wie sehr mir übung
und unbefangenheit im sprechen abgehen. das muß ich mir aneignen,
denn es ist jetzt vielleicht die nothwendigste gabe, und ohne sie kann auch
der ausgezeichneteste mensch kaum je aus einer subordinirten stellung
hervortreten. Auch glaube ich, daß ich alle eigenschaften zu einem wirksa-
men redner besitzen würde, wenn ich erst jene beyden habe.
Am 3. fuhren wir per dampfboot, wieder feyerlich an Bord geleitet und
empfangen, ab. von allen größeren ortschaften, an denen wir vorüberfuh-
ren, kamen deputationen an Bord, kurz überall seit frankfurt zeigt sich
die größte Zufriedenheit mit unserer Wahl und der größte Jubel über die-
sen bedeutsamen schritt zur einheit deutschlands, selbst in Bayern, wel-
ches immer für den separatistischesten staat gegolten hat.
in Passau hoffte ich eduard zu treffen, er war aber nicht da. dagegen
kam Arco-valley an Bord und fuhr mit uns bis Wien. gegen 7 uhr waren
wir in linz. Alle Autoritäten, skrbensky an der spitze, kamen an Bord
(in uniform, wir im bestaubten reisehabit), und wir zogen in feyerlicher
Prozession nach dem für uns bereiteten hôtel, spalier der nationalgarde,
vivats etc., Abends reden, toasts, souper, liedertafel, etc. ich begegnete
zu meiner großen freude Prinz holstein und stieg lange mit ihm herum.
frankfurt 12. July
Am 4. war wieder dieselbe geschichte, halb linz geleitete uns zum dampf-
boot, an Bord kamen unterwegs deputationen etc. o’sullivan, der mit uns
fuhr, gab uns interessante details über Wien, innsbruck und ischel, von wo
er eben kam.
um 4 waren wir in nussdorf, unter kanonendonner und von der ganzen
nationalgarde empfangen. A. Bach bewillkommnete uns, und ich erwie-
„Österreich wird meine Stimme erkennen lernen wie die Stimme Gottes in der Wüste“
Tagebücher 1839–1858, Band II
- Titel
- „Österreich wird meine Stimme erkennen lernen wie die Stimme Gottes in der Wüste“
- Untertitel
- Tagebücher 1839–1858
- Band
- II
- Autor
- Viktor Franz Freiherr von Andrian-Werburg
- Herausgeber
- Franz Adlgasser
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Ort
- Wien
- Datum
- 2011
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY-NC-ND 4.0
- ISBN
- 978-3-205-78612-2
- Abmessungen
- 17.0 x 24.0 cm
- Seiten
- 716
- Schlagwörter
- Viktor Andrian-Werburg (1813 - 1858), Revolution 1848, Austrian Neoabsolutism, Austria future (1842), Late Vormärz, Reform and Repression
- Kategorie
- Biographien