Seite - 136 - in „Österreich wird meine Stimme erkennen lernen wie die Stimme Gottes in der Wüste“ - Tagebücher 1839–1858, Band II
Bild der Seite - 136 -
Text der Seite - 136 -
Tagebücher136
lich gegebenes Wort zu lösen, als um den unruhen vorzubeugen, welche sein
Ausbleiben unfehlbar in Wien erregen würde, wir würden Alle dieses sein
Vorhaben in der Versammlung auf das entschiedenste unterstützen. Da fiel
ihm ein stein vom herzen, und er dankte uns in der rührendsten Weise.
die herrn aber gingen Alle ganz begeistert von ihm weg. francke und ich
sprachen dann in meiner Wohnung mit gagern in diesem sinne, dieser aber
war ganz anderer meinung und erzählte uns, die linke und namentlich der
Würtembergerhof (die Partey, vor der wir uns am meisten zu hüten ab [sic],
weil sie unter der maske der versöhnlichkeit uns nur immer concessionen
abnöthigen will und nichts weiter ist als eine Art emissärinn der linken)
beständen entschieden auf seinem hierbleiben etc.
tags darauf am 13. hielt gagern wieder sitzung, doch geschah nichts
Besonderes, der tag verstrich mit unterhandlungen wegen der Bildung des
ministeriums. camphausen, welcher Premier werden und das Auswärtige
übernehmen sollte, war angekommen, lehnte aber die Annahme entschie-
den ab, weil er als Preuße die hiesige richtung mit der in Preußen wieder
vorherrschenden ultrapreußischen nicht vereinigen konnte. leider zeigt
sich nämlich in mehreren theilen deutschlands, namentlich in Altpreu-
ßen, ein großes mißtrauen gegen die neueste gestaltung der dinge und
eine nicht geringe eifersucht wegen der Wahl des erzherzog Johann, na-
mentlich ist dieses preußische gefühl (welches man übrigens ganz begreif-
lich finden muß, in Oesterreich wäre es unter ähnlichen Umständen ebenso
gegangen) in der Armee vorherrschend, so haben sich auch die minister
ausgesprochen, und das volk in Preußen wird mächtig in gleichem sinne
bearbeitet, nur der könig scheint anderer meinung. Wir sind der deutschen
einheit noch lange nicht so nahe, als viele glauben, und ebendeßwegen
muß man behutsam zu Werke gehen und die einheit sachte herbey führen,
aber nicht gegen die Wand rennen wollen. das will aber die versammlung,
selbst ein großer teil der rechten, nicht einsehen, und so wurden gestern
gegen das hannöversche cabinet, welches eine ähnliche erklärung wegen
der neuen centralgewalt erlassen hatte, nach einer ganz maaßlosen de-
batte sehr scharfe Beschlüsse gefaßt, es habe sich nämlich jenem gesetze
ganz rückhaltslos zu unterwerfen.1 Wie wird man dieß ausführen? und
sollte Preußen Ähnliches thun, wie wird man dann verfahren?
1 das hannoversche ministerium hatte in einem schreiben an die ständeversammlung vom
7.7.1848 erklärt, dass sich der könig gegen eine reichsverfassung ausspreche, „welche auch die
inneren Angelegenheiten des landes ordnen und die fürsten lediglich als untergebene eines an-
deren monarchen erscheinen lassen würde.“ in einem solchen fall würde er die verfassung nicht
anerkennen, und er habe die regierung entsprechend instruiert. dagegen beschloss die national-
versammlung am 14. Juli: „die centralgewalt möge die unumwundene Anerkennung der central-
gewalt und des gesetzes darüber von der staatsregierung des königreichs hannover fordern.“
„Österreich wird meine Stimme erkennen lernen wie die Stimme Gottes in der Wüste“
Tagebücher 1839–1858, Band II
- Titel
- „Österreich wird meine Stimme erkennen lernen wie die Stimme Gottes in der Wüste“
- Untertitel
- Tagebücher 1839–1858
- Band
- II
- Autor
- Viktor Franz Freiherr von Andrian-Werburg
- Herausgeber
- Franz Adlgasser
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Ort
- Wien
- Datum
- 2011
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY-NC-ND 4.0
- ISBN
- 978-3-205-78612-2
- Abmessungen
- 17.0 x 24.0 cm
- Seiten
- 716
- Schlagwörter
- Viktor Andrian-Werburg (1813 - 1858), Revolution 1848, Austrian Neoabsolutism, Austria future (1842), Late Vormärz, Reform and Repression
- Kategorie
- Biographien