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August 1848
commission unseres Ausschusses über die competenz der reichsgewalt,
ein entwurf, der mir allerdings ebensosehr mißfällt. übrigens wird, wie ich
hoffe, ein mittelweg gefunden werden, damit der 6. August ohne skandal
vorübergehe.1
camphausen ist hier zum preußischen Bevollmächtigten ernannt und
hat ein ganzes Personale bey sich, doch nicht, um einen noyau der oppo-
sition gegen das ministerium zu bilden? schmerling und Peuker sind in ei-
ner Art von Wuth und Verzweiflung, schöner Anfang, übrigens ist die Lage
auch eine fatale. seit einem monathe, daß die centralgewalt besteht, ist
das cabinett noch nicht formirt, namentlich die auswärtigen Angelegenhei-
ten, in denen also noch immer nichts geschehen ist, wiewol die wichtigsten
fragen schweben, so z.B. schleswig, limburg, wo man, d.h. die national-
versammlung holland den handschuh ins gesicht geworfen hat,2 italien,
Posen, frankreich etc. Zum glücke kommt der erzherzog endlich morgen,
aber leider nicht über Berlin, was doch so unendlich gut gewesen wäre. das
soll heckscher’s Werk seyn.
der kaiser will also durchaus nicht nach Wien zurück, nun hat der
reichstag eine deputation geschickt, einstweilen ist das ministerium sicuti
regentschaft, wiewol sich jetzt bey uns eigentlich niemand regieren läßt,
indessen kommt der 19. geburtstag des erzherzog franz Joseph heran (20.
dieses monats3), und dann hoffe ich, haben wir wenigstens wieder einen
souverain. die croaten, serben etc. in ungarn führen offenen krieg und
haben die magyaren bereits wiederholt geschlagen, geht es, wie ich es seit
lange wünsche, zerschlägt sich ungarn in ein magyarisches, croatisches
und slowakisches reich, so ist das für den zukünftigen oesterreichischen
Bundesstaat, also für oesterreichs fortbestehen ein großer gewinn. leider
aber scheinen sich auch in der herrlichen militärgrenze schon spuren der
desorganisation zu zeigen.
ich habe den Plan, nächstens den Antrag auf vermittelung in italien
durch die centralgewalt in der nationalversammlung zu stellen. der mo-
ment ist dazu günstig, nur will ich ihn früher noch in kleinerem kreise
besprechen, ich möchte nicht, daß er durchfiele, was vielleicht aus Be-
sorgniß, frankreich dadurch zum kriege zu reizen, geschehen könnte. die
mailänder sollen nämlich bereits französische hülfe angerufen haben, und
1 gemeint ist die geplante huldigung der Bundestruppen vor dem reichsverweser, vgl. ein-
trag v. 28.7. und 7.8.1848.
2 Am 19.7.1848 beschloss die nationalversammlung beinahe einstimmig, dass die beste-
hende vereinigung des zum deutschen Bunde gehörigen herzogtums limburg mit dem
königreich der niederlande „unter einer verfassung und verwaltung als unvereinbar mit
der deutschen Bundesverfassung“ zu betrachten sei.
3 der spätere kaiser franz Joseph wurde am 18., nicht 20. August 18 Jahre alt.
„Österreich wird meine Stimme erkennen lernen wie die Stimme Gottes in der Wüste“
Tagebücher 1839–1858, Band II
- Titel
- „Österreich wird meine Stimme erkennen lernen wie die Stimme Gottes in der Wüste“
- Untertitel
- Tagebücher 1839–1858
- Band
- II
- Autor
- Viktor Franz Freiherr von Andrian-Werburg
- Herausgeber
- Franz Adlgasser
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Ort
- Wien
- Datum
- 2011
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY-NC-ND 4.0
- ISBN
- 978-3-205-78612-2
- Abmessungen
- 17.0 x 24.0 cm
- Seiten
- 716
- Schlagwörter
- Viktor Andrian-Werburg (1813 - 1858), Revolution 1848, Austrian Neoabsolutism, Austria future (1842), Late Vormärz, Reform and Repression
- Kategorie
- Biographien