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Stufe stehen!“ 117 Die Ausübung der Artistik durch Vagabunden und Arbeitsscheue
in ‚früheren‘ Zeiten wurde kontrastiert mit dem gegenwärtigen professionellen und
arbeitsamen Ausüben der Artistik.118 Zur Hebung des Ansehens des Artistenberufs
sollten Prüfungen vor einer Jury dienen, die über die Aufnahme in die Organisa-
tion und damit auch über die Möglichkeit entschieden, die interne Stellenvermitt-
lung zu nutzen. Es stellt sich die Frage, warum die andauernde Verteidigung des
Arbeitscharakters von Artistik notwendig war – im Unterschied etwa zu den vom
Musikerverband vertretenen Musizierpraktiken, die bei aller Nichtbeachtung mate-
rieller Nöte doch eindeutig als Arbeit galten. Neben der prinzipiell verdächtigen
Mobilität von ArtistInnen dürfte vor allem die Kombination der relativen Neuheit
dieser Vergnügungseinrichtungen 119 mit dem Verdacht der Unmoral dieser Art von
Unterhaltung 120 eine Rolle gespielt haben.
2.3.3 Gegensätzliche Tendenzen in Sozial- und Arbeitsrecht
Das Ende des 19.
Jahrhunderts gilt als der Zeitraum, in dem bedeutende sozial- und
arbeitsrechtliche Absicherungen bestimmter Arten von Arbeit erfolgten.121 Die
Zwischen kriegszeit stellt demnach eine Expansionsphase dieser Absicherungen dar.122
Betrachtet man die Tätigkeit des Musizierens und die gesetzlichen Bestimmungen
darüber von Beginn des 20.
Jahrhunderts an, so fällt weniger ein schrittweiser Ausbau
der sozialen Sicherung als eine kontinuierliche Differenzierung zwischen Praktiken,
die in Bezug auf andere Tätigkeiten gleich behandelt wurden, entlang unterschied-
lichster Trennlinien auf. Eine einheitliche Behandlung selbstständigen oder auch
117 Internationales Artisten- Organ (1926), Nr. 8, 4 – 5, hier 5.
118 Vgl. etwa Internationales Artisten- Organ (1926), Nr.
2, 3 – 5; Die Varieté-
Welt (1924), Nr.
11,
3 – 4; Gewerbsmann oder Vagabund?, in: Oesterreichischer Komet (1908), Nr. 1, 7 – 8.
119 Peter, Schaulust.
120 „Da Verführung und Reiz, die solche Vergnügungsstätten [der Zirkus, G. S.] auf die Jugend
ausüben, Quellen moralischer Verlotterung darstellen, die Jugend vor den moralischen Fäulnis-
stoffen, die da trotz aller Versicherungen der Unternehmer aufsteigen, geschützt werden muß,
verweigert die Bezirksvertretung
[…] ihre Zustimmung zur Erteilung der Produktionslizenz“
(Österreichisches Staatsarchiv, AdR, Bundeskanzleramt/Ministerium für Inneres, Schaustel-
lungen etc., 1923, Zl. 910, Gloss Friedrich, Produktionslizenz); Vgl. etwa auch Österreichi-
sches Staatsarchiv, AdR, Bundeskanzleramt/Ministerium für Inneres, Schaustellungen etc.,
1920, Zl. 24.463, Katholische Frauenorganisation Steiermarks, Schreiben an das Staatsamt
für Inneres und Unterricht, 11.
Juni 1920; Die Varieté-
Welt (1925), Nr.
21, 2 – 3; Das Konzert-
lokal (1921), Nr. 10, 41 – 42.
121 Tálos, Sicherung, 14.
122 Tálos, Sicherung, 20; Sandgruber, Ökonomie, 347 ff.
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Über die Produktion von Tönen
Beziehungen von Arbeit und Musizieren, Österreich 1918 – 1938
- Titel
- Über die Produktion von Tönen
- Untertitel
- Beziehungen von Arbeit und Musizieren, Österreich 1918 – 1938
- Autor
- Georg Schinko
- Ort
- Wien
- Datum
- 2019
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-205-20802-0
- Abmessungen
- 15.5 x 23.5 cm
- Seiten
- 310
- Schlagwörter
- Music-making, Musician, Work, Vocation, Art, Austria, Correspondence analysis, Life Writing, Interwar period --- Musizieren, Musiker, Arbeit, Beruf, Kunst, Österreich, Korrespondenzanalyse, Lebensgeschichtliche Erzählung, Zwischenkriegszeit
- Kategorie
- Kunst und Kultur