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Transdifferenz 37
sen, so Britta Kalscheuer, »in einem unbestimmten Grenz- bzw. Zwischenraum
permanent ausgehandelt werden«.37 Dass die Wiener Schriftstellerin Ada Christen
(1844–1901)38 von 1858 bis 1864, d.h. im Alter von 12 bis 20 Jahren, selbst als Berufs-
schauspielerin mit einer wandernden Schauspieltruppe durch die Provinzen Ös-
terreich-Ungarns reiste, um schließlich 1864 den ungarischen Großgrundbesitzer
Siegmund von Neupauer zu heiraten und bei ihm im ungarischen Szentgotthárd
zu bleiben, ist eine auffällige Parallele zu dem frühen Prosatext. Ihre Erfahrungen
haben die Autorin augenscheinlich zu dem Handlungskonstrukt inspiriert.
Die Frage nach der veränderbaren Positionalität und Prozessualität von Identi-
tät und deren Aussagekraft lässt sich mit Intersektionalität allein aber nicht beant-
worten. Dazu ist ein Konzept notwendig, mit dem die binäre Codierung sozialer
Kategorien (weiblich – männlich, alt – jung usw.) als temporäre, aber notwendige
Vehikel der Analyse hinter sich gelassen werden kann.
2.4 Transdifferenz
Individuelle Veränderungen bezüglich der sozialen Zugehörigkeit von Figuren
können prozesshaft oder als bewusste spontane Weichenstellung erfolgen. Um die-
sen Akt der eigenen Positionierung zu erfassen und damit die neuen Denkräume
auswerten zu können, welche der Leserschaft als Denken der Kontingenz und ge-
sellschaftspolitisches Innovationspotenzial zugänglich gemacht werden, ist ein of-
fener Kulturbegriff notwendig, wie ihn das Konzept der Transdifferenz bereitstellt.
Das Konzept bietet die Möglichkeit, die Grenzziehungen und binären Oppo-
sitionen, auf denen die ihrerseits kulturell konstruierten Kategorien basieren,
temporär zu überwinden, ohne die Unterscheidung zwischen Intra- und Interkul-
turellem aufzulösen. Dass diese Differenzierung in dem auf Wolfgang Welsch39
zurückgehenden Begriff der Transkulturalität – einer selbst immer schon von an-
deren kulturellen Einflüssen durchdrungenen Kultur – aufgehoben ist, ist mit ein
Kritikpunkt, auf den das Konzept der Transdifferenz reagiert.40
Entwickelt wurde das Konzept im Rahmen des Graduiertenkollegs Kulturherme-
neutik im Zeichen von Differenz und Transdifferenz (2001–2012) an der Friedrich-Ale-
xander-Universität Erlangen-Nürnberg, das von den beiden Amerikanisten Helmb-
recht Breinig und Klaus Lösch geleitet wurde. Lösch definiert das Konzept, in dem
37 | Kalscheuer, Britta: Transdifferente Positionalitäten als Manifestationen biografischer
Grenzerfahrungen. In: Psychologie & Gesellschaftskritik 31 (2007) 2/3, S. 7-57, hier S. 8.
38 | Zu Christens Biografie vgl. www.univie.ac.at/transdifferenz/index.php?option=com_
content&view=article&id=6¶m1=8 (zuletzt eingesehen am 12.8.2016).
39 | Vgl. Welsch, Wolfgang: Transkulturalität – die veränderte Verfassung heutiger Kulturen.
Ein Diskurs mit Johann Gottfried Herder. In: VIA REGIA. Blätter für internationale kulturelle
Kommunikation (1994) 20. In: www.via-regia.org/bibliothek/pdf/heft20/welsch_transkul
ti.pdf (zuletzt eingesehen am 12.8.2016); ders.: Transkulturalität: Zur veränderten Verfas-
sung heutiger Kulturen. In: Schneider, Irmela/Thompson, Christian W. (Hg.): Hybridkultur:
Medien, Netze, Künste. Köln: Wienand 1997, S. 67-90.
40 | Lösch, Klaus: Begriff und Phänomen der Transdifferenz: Zur Infragestellung binärerer
Differenzkonstrukte. In: Allolio-Näcke, Lars/Kalscheuer, Britta/Manzeschke, Arne (Hg.): Dif-
ferenzen anders denken. Bausteine zu einer Kulturtheorie der Transdifferenz. Frankfurt a.M.:
Campus 2005, S. 26-49, hier S. 39.
Transdifferenz und Transkulturalität
Migration und Alterität in den Literaturen und Kulturen Österreich-Ungarns
- Titel
- Transdifferenz und Transkulturalität
- Untertitel
- Migration und Alterität in den Literaturen und Kulturen Österreich-Ungarns
- Autoren
- Alexandra Millner
- Katalin Teller
- Verlag
- transcript Verlag
- Datum
- 2018
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-8394-3248-8
- Abmessungen
- 15.4 x 23.9 cm
- Seiten
- 454
- Schlagwörter
- transdifference, transculturality, alterity, migration, literary and cultural studies, Austria-Hungary, Transdifferenz, Transkulturalität, Alterität, Migration, Literatur- und Kulturwissenschaften, Österreich-Ungarn
- Kategorie
- Kunst und Kultur