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Transdifferenz und Transkulturalität - Migration und Alterität in den Literaturen und Kulturen Österreich-Ungarns
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»Emma« alias »Emanuel« 107 grabene Liebe? oder ob das Ganze nur die Schlaffheit einer lymphatischen Blutmischung? (Bd. III, S. 177) Timeas unterbelichtete alternative Persönlichkeit beruht erstens auf ihrer Her- kunft, mit Konsequenzen sowohl für ihre Weltwahrnehmung als auch für ihren Umgang mit dem jeweils geliebten oder ungeliebten Mann. Die junge verwaiste Türkin/Griechin muss sich als arme Verwandte in der Familie Brazovics einiges gefallen lassen und mitunter – durch geschickte kulturelle Mimikry – als Ungarin sozialisieren. »Mich ärgert nur«, sagt Athalie Brazovics über sie, »daß sie gegen Alles so unempfindlich bleibt. Man mag sie ausschelten oder auslachen, gleichviel, sie wird nie roth.« (Bd. II, S.  81). Dabei weiß man aus ihren Reaktionen auf konfes- sionelle Fragen, zuerst auf griechisch-orthodoxe, dann auf lutherisch-evangelische, dass sie ihr muslimisches Vorverständnis der Welt nie gänzlich verliert: Während der ehrwürdige Herr Pastor muslimische Klischees ironisch zur Sprache bringt – »Dem Mohamedamer ist die Frau weiter nichts, als eine Blume, die verblüht und abfällt, ihre Seele ist der Duft der Blume, welchen der Wind davonträgt und er ist nicht mehr.« (Bd. III, S.  7) –, bringt ihn Timea ihrerseits mit scheinbar harmlosen und doch stark religionskritischen Fragen in Verlegenheit, so dass er lieber auf den weiteren Religionsunterricht verzichtet und mit der Unbelehrbaren schnell zur er- forderlichen Taufe übergeht. Desgleichen hat sie bereits mit dem griechisch-ortho- doxen Unterricht ihre Schwierigkeiten: »Es war eine schreckliche Arbeit für sie, die Sätze des abstrakten unverständlichen Katechismus ihrem Gedächtniß einzu- prägen. Was aber hätte sie nicht Alles gethan, nur um getauft werden zu können?« (Bd. II, S.  88) Zweitens erscheint in ihr bei aller Verschlossenheit etwas, das man die wech- selseitige Transparenz weiblicher Schicksalswege nennen könnte. An Stellen, die sich als erzählerische Vorausdeutungen lesen lassen, aber nur in Verbindung mit Timea aufkommen, werden zwischen Frauen Blicke gewechselt, denen die Män- nergesellschaft, darunter auch die sonst sehr introvertierte Hauptfigur Timar, nie begegnet: Die beiden Mädchen [Timea und Noëmi] erkannten aus dieser Begegnung ihrer Blicke, daß sie einmal in räthselhafter Weise in ihre Geschicke eingreifen werden, daß sie etwas mit ein- ander gemein haben werden, einen Schmerz, oder eine Freude, und daß sie davon vielleicht, wie von einem vergessenen Traum, nur das Eine wissen werden, daß sie einander diesen Schmerz oder diese Freude verursacht haben. (Bd. I, S. 115) Ähnliches geschieht bei der ersten Begegnung von Timea und Athalie Brazovics, übrigens ebenfalls in Gegenwart des Mannes, der das Schicksal ihrer beiden wer- den sollte: Die ganze Erscheinung des schlanken, schmächtigen Kindes hatte in diesem Augenbli- cke etwas geisterhaftes, es war, als würde ein Schemen, ein Phantom, aus dem Dunkel hervortreten. Als Herr Katschuka vom Reißbrett auf- und nach rückwärts sah, zog sein dunkelrother Pas- tellstift einen solchen Strich über die Stirne des Portraits [von Athalie], daß die Brodkrume zu thun haben wird, ihn wieder herauszubringen. (Bd. I, S. 205-206)
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Transdifferenz und Transkulturalität Migration und Alterität in den Literaturen und Kulturen Österreich-Ungarns
Titel
Transdifferenz und Transkulturalität
Untertitel
Migration und Alterität in den Literaturen und Kulturen Österreich-Ungarns
Autoren
Alexandra Millner
Katalin Teller
Verlag
transcript Verlag
Datum
2018
Sprache
deutsch
Lizenz
CC BY 4.0
ISBN
978-3-8394-3248-8
Abmessungen
15.4 x 23.9 cm
Seiten
454
Schlagwörter
transdifference, transculturality, alterity, migration, literary and cultural studies, Austria-Hungary, Transdifferenz, Transkulturalität, Alterität, Migration, Literatur- und Kulturwissenschaften, Österreich-Ungarn
Kategorie
Kunst und Kultur
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