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ISBN Print: 9783847113232 – ISBN E-Lib: 9783737013239
führt werden könnte (was vielleicht im Verlauf des Threads auch bereits ge-
schehen ist), allerdingsdistanziert er sich gleichzeitig vondieserAnsichtdurch
die Verwendung des unpersönlichen „man“. Würde er dieser Erklärung zu-
stimmen,würdeandieserStellenoch„ich“vorherrschen.Erwechseltdaraufhin
zurBeurteilungderHandlungenderFigur, ohnediese Sichtweise als seineper-
sönlichezuperspektivieren.DasUrteil ist indiesemBeitragnochabgeschwächt
durchdenKonjunktivbzw.eineFrage(„hätteerdoch“und„Warumhater…“).
DieseProgressionist inbeinaheallenBeiträgenzubeobachten,mitunterwirdsie
noch stärker assertiv formuliert und die Innensicht der Figur eingenommen,
unabhängig davon, ob sie dem Text selbst entnommen werden kann (z. B.:
„Stoner hat sich bewusst gegen denWehrdienst entschieden“; „Er hatte ja nie
ganz dieHoffnung aufgegeben, dass alles einmal besser wird“; „er hat sich da
einfach nicht gewehrt“). Das Pronomen „ich“wird sehr sparsam und gezielt
eingesetzt, wenn etwa Unsicherheit Ausdruck verliehen (Beitrag Findus) oder
einemanderenUser zugestimmtwird (BeitragSaiya). Subjektive Ich-Formulie-
rungendienenalsoinersterLiniealsEinstiegindaseigeneStatement.Insgesamt
dominiert „er“unddamit die Besprechung der Figur Stoner unter dieser Per-
spektive, die weniger reflexiv als assertiv ist und damit einen gewissenWahr-
heitsanspruchvermittelt.
Wieonlinenachzulesen ist, liegen zwischendenBeiträgen teilweiseMonate.
Insgesamtkannman indiesenPassagennicht feststellen, dass sichMeinungen
ändern oder dass gemeinsam Bedeutung geschaffen wird (im Sinne von Ko-
Konstruktion). Bei diesem Textausschnitt, der stellvertretend für Buchdiskus-
sionengewähltwurde, istehereinNeben-alseinMiteinanderfestzustellen,auch
gegensätzlicheMeinungenwerdenkaum(sprachlich) abgeschwächt (wedervon
den AutorInnen selbst noch von den MitdiskutantInnen). Die Beiträge sind
vorwiegenddaraufausgerichtet,eigeneMeinungenzupräsentieren,zuvertreten
undzuverteidigen.Abschwächende, relativierendeundperspektivierendeFor-
mulierungen sind nur amAnfang der Beiträge bemerkbar (in Form von Ich-
Formulierungen, subjektiven Eindrücken) und werden im Lauf des Beitrags
durchapodiktischeAussagenundUrteile ersetzt.
5.2 F2F-Diskussion
ZumbesserenVerständnisderF2F-DiskussionzuStoner sei andieserStelleder
Kontextder folgendenPassageumrissen:Bm1–dereinzigeMannderGruppe–
beginnt die Diskussionwie immermit ein paarWorten überAutor undText,
dabei fällt das ersteMal eineBemerkung zu Stoners „unmöglicher Frau“. Bw1
ermahnt ihn,weil siemeint, er greifedemThemavor.TrotzdieserErmahnung
gehenalle folgendenMitgliederderLesegruppeauf Stoners FrauEdith ein.An
KatharinaEvelinPerschak120
Open-Access-Publikation im Sinne der CC-Lizenz BY 4.0
Über Bücher reden
Literaturrezeption in Lesegemeinschaften
- Titel
- Über Bücher reden
- Untertitel
- Literaturrezeption in Lesegemeinschaften
- Autor
- Doris Moser
- Herausgeber
- Claudia Dürr
- Verlag
- V&R unipress
- Datum
- 2021
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-7370-1323-9
- Abmessungen
- 15.5 x 23.2 cm
- Seiten
- 262
- Kategorie
- Lehrbücher