Seite - 135 - in Über Bücher reden - Literaturrezeption in Lesegemeinschaften
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© 2021 V&R unipress, Brill Deutschland GmbH
ISBN Print: 9783847113232 – ISBN E-Lib: 9783737013239
In der Dokumentation von online geführter Anschlusskommunikation in so-
genannten Histories sieht Boesken in Anlehnung an Genette Epitexte, also
werkexterneParatexte, die rezeptionslenkendwirkenkönnen.14
Anders als bei Lesegruppen, die sich offline über ihre Leseerfahrungen aus-
tauschen, kann in der Onlinekommunikation „gemeinschaftliches, das heißt
laufend durch alle Teilnehmer kommentiertes Lesen in Sozialen Netzwerken“
realisiertwerden.15DerLiteraturkritikerOliverJungenführtbezogenaufdiezum
Holtzbrinck-Konzern gehörende Plattform LovelyBooks aus, dass sogenannte
Social-Reading-Streams eineReaktionauf Nutzerwünschedarstelltenundeine
neue „Funktiondesprozentgenauen ‚Lesestatus‘“ seien:
‚Lesechroniken‘nachdemMuster ‚Schnappatmung auf Seite 187‘ lassen sichmit an-
derenNutzernteilen.DasKonzeptbewährtsichoffenbar.DieNutzerzahlenhabensich
indenletztenbeidenJahrenverdreifachtaufheute1,2MillionenUniqueUserimMonat
bei 165000angemeldetenMitgliedern.16
Aber auch ohne explizite Social-Reading-Streams haben sich in Form von Le-
serundenlektürebegleitendeFormenderAnschlusskommunikationimInternet
etabliert. Das erfolgreiche Literaturportal Literaturschock definiert diese wie
folgt:„IneinervirtuellenLeserundewirdvonmindestensdreiTeilnehmerndas
gleicheBuchgelesenundineinemForumdiskutiert“.17Hervorzuheben ist,dass
der recht schwammige Begriff ‚Social Reading‘ vielfach für eine lektürebeglei-
tendeFormderAnschlusskommunikationverwendetwird. Inwiefernessichbei
diesemProzess um einen „online geführte[n], intensive[n] und dauerhafte[n]
AustauschüberTexte“18handelt,kannkritischhinterfragtwerden:DieIntensität
der Kommunikation kann erheblich variieren und die Dauerhaftigkeit ist von
verschiedenenEinflussfaktorenwiez.B.demErhaltdertechnischenSysteme,auf
denen sie realisiertwird, abhängig.19Dennochzeigen sichhierUnterschiede zu
denofflinegeführtenDiskussioneninLesegruppen:Diesewerdennämlichinder
Regel nicht lektürebegleitend, sondern erst nach erfolgter Lektüre geführt, was
sich leichtmit Praktikabilitätsgründen erklären lässt. Ferner sind die Teilneh-
merzahlenoffline inderRegeldeutlichbegrenzt, sie isthäufigabhängigvonder
Zahl derPersonen, die sich in einerPrivatwohnungproblemlos treffenkönnen
oder die Raum in einer rahmenden Institution finden können. Kuhn verweist
jedoch zu Recht darauf, dass gängige bipolare „Zuschreibungen an das Lesen
außerhalb und innerhalb digitaler Netzwerke“ wenig plausibel sind. „Denn
14 Vgl. ebd., S. 26–27.
15 Jungen2015.
16 Ebd.
17 LiteraturschockInternetagenturfürSocial-Reading2017.
18 Pleimling2012.
19 SiehedazuPerschak,„Online-Lesegruppen“, indiesemBand,S. 113.
LiterarischeAnschlusskommunikationpersönlichundonline 135
Open-Access-Publikation im Sinne der CC-Lizenz BY 4.0
Über Bücher reden
Literaturrezeption in Lesegemeinschaften
- Titel
- Über Bücher reden
- Untertitel
- Literaturrezeption in Lesegemeinschaften
- Autor
- Doris Moser
- Herausgeber
- Claudia Dürr
- Verlag
- V&R unipress
- Datum
- 2021
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-7370-1323-9
- Abmessungen
- 15.5 x 23.2 cm
- Seiten
- 262
- Kategorie
- Lehrbücher