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2.4. DIE AUSARBEITUNG DER REFORMEN 87
gekehrt ist die Verwendung der verschiedenen Chiffren (deutsch/preußisch/
protestantisch sowie Humboldt’sch in der Historiografie) in der Debatte in
Österreich ebenso aufschlussreich. Während die Betonung der Orientierung
an einem ‚deutschen‘ Vorbild am wenigsten verfänglich war und auch Aus-
druck einer gesamtdeutschen Vereinheitlichungsbestrebung etwa im Rah-
men des Deutschen Bundes sein konnte, waren die Begriffe preußisch oder
protestantisch negativ konnotiert. So werden diese letzteren beispielsweise
zur Abgrenzung verwendet, wie es Leo Thun tat. Eine solche Abgrenzung
wurde zwar teilweise auch schon von Exner betont, besonders deutlich er-
folgte sie jedoch im Zuge des Neoabsolutismus und mit der Ministerschaft
Thuns: Dabei wurden gewissermaßen die neuen Strukturen beibehalten –
die Inhalte wurden angepasst. Besonders wurde die Konnotation ‚preußisch‘
und ‚protestantisch‘ aber von den Kritikern der Reform dazu benutzt, um vor
dem Import eines gleichsam häretischen Universitätsmodells zu warnen und
die Orientierung an Preußen und dessen protestantischem Universitätsmo-
dell als Verrat an österreichischen Traditionen zu brandmarken.70
In der jüngeren Historiografie, aber auch in universitätspolitischen
Sonntagsreden wurde vielfach vom Import oder der Orientierung am Hum-
boldt’schen Modell gesprochen und damit ein vergleichsweise neutraler
Begriff verwendet und politische Implikationen weitgehend ausgeblendet.
Allerdings konnte man damit vor allem die Übernahme eines Modells diag-
nostizieren, das als Ideal einer Universität propagiert wurde. Besonders mit
der Betonung der Freiheit der Forschung („Einsamkeit und Freiheit“71) und
der Einheit von Lehre und Forschung konnte man damit nicht zuletzt auch
ein Ideal in die Vergangenheit projizieren und gleichzeitig für die Gegenwart
einmahnen.
2.4. Die Ausarbeitung der Reformen
Das preußische Vorbild sowie die Tatsache, dass Franz Exner bereits einen
Reformplan, der sich in vielen Punkten an diesem Vorbild orientierte, aus-
gearbeitet hatte, ließ die Arbeit an der Reform im Jahr 1848 zügig voran-
schreiten.72 Franz Exner war im Übrigen in den frühen 1840er-Jahren nach
70 Vgl. etwa prägnant die Aussagen des Innsbrucker Professors Karl Libor Kopetzky, in: Ko-
petzky an Rauscher, Innsbruck 30.12.1860, Bischofsakten Rauscher, 1860, Diözesanarchiv
Wien.
71 scHeLsky, Einsamkeit und Freiheit.
72 Vgl. dazu auch Thoma maiseL, Lehr- und Lernfreiheit und die ersten Schritte zu einer
Universitäts- und Studienreform im Revolutionsjahr 1848, in: Christof Aichner/Brigitte
Mazohl (Hgg.), Die Thun-Hohenstein’schen Universitätsreformen 1849–1860. Konzeption
Die Universität Innsbruck in der Ära der Thun-Hohenstein’schen Reformen 1848–1860
Aufbruch in eine neue Zeit
- Titel
- Die Universität Innsbruck in der Ära der Thun-Hohenstein’schen Reformen 1848–1860
- Untertitel
- Aufbruch in eine neue Zeit
- Autor
- Christof Aichner
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Datum
- 2018
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-205-20847-1
- Abmessungen
- 17.0 x 24.0 cm
- Seiten
- 512
- Schlagwörter
- University of Innsbruck, University Reforms, Thun-Hohenstein, Leo, Universität Innsbruck, Reform, Universitätspolitik, Thun-Hohenstein
- Kategorien
- Geschichte Historische Aufzeichnungen