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5 DIE PERSONALPOLITIK LEO THUNS AN DER UNIVERSITÄT INNSBRUCK
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Als dem Vahlen damals, wo er noch Privatdozent in Bonn war [bis 1856, C.A.],
durch Schulte eine philologische Professur in Lemberg angetragen wurde, mit
der Zusicherung, daß er so bald nach Prag oder Wien übersetzt werden würde,
dienten diese Anträge nur dazu ihn (schneller als je vielleicht in Preußen) zum
außerordentlichen Professor in Breslau zu befördern. Ritschl ist ein geschick-
ter Stratege.524
Goebel erzählte dann auch, wie Vahlen die Philologische Versammlung in
Breslau, wo zahlreiche österreichische und preußische Philologen, aber auch
preußische Ministerialräte zugegen waren, gezielt für seine Verhandlungen
genutzt hatte, da dessen inoffizieller Ruf nach Österreich auf der Versamm-
lung ein offenes Geheimnis war.
Die Angelegenheit musste damit wieder von vorn begonnen werden, was
Thun sehr bedauerte, er versicherte Ficker aber, dass er bereits das Nötigste
in die Wege geleitet hätte, um der Situation des „erbärmlichen Innspruck“525
so schnell als möglich ein Ende zu machen. Daher hatte er wohl auch die
Personalvorschläge, die ihm Ficker gleichzeitig mit der Absage von Vahlen
mitgeteilt hatte, nicht mehr nötig. Ficker hatte sich dazu bei Ritschl in Bonn
erkundigt. Ritschl hatte ihm verständlicherweise seine eigenen Schüler
empfohlen, aber auch darauf hingewiesen, wie schwierig es sei, gute katho-
lische Philologen zu finden. Ritschl riet besonders zur Berufung von Franz
Bücheler526, der damals zwar noch an seiner Habilitationsschrift arbeitete,
aber im folgenden Semester die Venia erhalten sollte. An zweiter Stelle
empfahl er Eduard Goebel, den Bruder von Anton Goebel. Nicht empfehlen
wollte er Franz Pauly527, der als Schulmann zwar gut wirke, aber als Profes-
sor wohl die „Bonner Philologenschule kompromittieren“528 könnte. Ficker
fügte diesen Empfehlungen Ritschls hinzu, dass man bedenken sollte, dass
Ritschl wohl Bücheler an die erste Stelle gereiht hatte, weil dieser – im Ge-
gensatz zu Goebel – noch keine Stelle hatte. Wohl um ja nicht den Verdacht
aufkommen zu lassen, er würde dies nur sagen, um einem Freund die bes-
sere Ausgangslage zu verschaffen, fügte Ficker jedoch an, dass seine Bezie-
524 Ebenda.
525 Thun an Ficker, Wien 20.11.1857, Nachlass Ficker, Institut für Österreichische Geschichts-
forschung.
526 Franz Bücheler (Rheinberg 1837–1908 Bonn), 1858 Prof. für klass. Philologie an der Uni-
versität Freiburg, ab 1866 Prof. an der Universität Greifswald.
527 Franz Pauly (Düren 1827–1885), ab 1851 Lehrer für klassische Sprachen an verschiedenen
Gymnasien in Deutschland, 1856 Lehrer am Gymnasium in Pressburg, ab 1857 Lehrer am
akademischen Gymnasium in Prag.
528 Ficker an Thun, Innsbruck 22.11.1857, Nachlass Leo Thun-Hohenstein, A3 XXI D434,
Staatliches Gebietsarchiv Leitmeritz, Zweigstelle Tetschen-Bodenbach.
Die Universität Innsbruck in der Ära der Thun-Hohenstein’schen Reformen 1848–1860
Aufbruch in eine neue Zeit
- Titel
- Die Universität Innsbruck in der Ära der Thun-Hohenstein’schen Reformen 1848–1860
- Untertitel
- Aufbruch in eine neue Zeit
- Autor
- Christof Aichner
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Datum
- 2018
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-205-20847-1
- Abmessungen
- 17.0 x 24.0 cm
- Seiten
- 512
- Schlagwörter
- University of Innsbruck, University Reforms, Thun-Hohenstein, Leo, Universität Innsbruck, Reform, Universitätspolitik, Thun-Hohenstein
- Kategorien
- Geschichte Historische Aufzeichnungen