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5.14. DIE SCHAFFUNG DES LEHRSTUHLS FÜR DEUTSCHE PHILOLOGIE 303
Brüdern Grimm681 und Karl Simrock682 bezeugen.683 Zingerle hatte zuvor
das Gymnasium in Meran besucht, das von den Benediktinern aus Marien-
berg geführt wurde. Durch seinen Lehrer und Onkel Pius Zingerle684 wurde
schon in frühen Jahren sein Interesse für die Tiroler Sagenwelt geweckt.
Die philosophischen Kurse besuchte Zingerle in Trient und Innsbruck. Dort
schloss er sich auch dem Aurora-Bund an. Ab 1844 studierte er Theologie in
Brixen, wo unter anderem die bereits bekannten Vinzenz Gasser und Josef
Fessler als Professoren wirkten. Ein Jahr später, 1845, trat er sogar in den
Benediktinerorden ein, verließ das Kloster allerdings nach einem knappen
Jahr wieder. Als Grund für seinen Eintritt ins Kloster wird vor allem seine
tiefe Religiosität angeführt, allerdings offenbart dieser Entschluss auch das
Schicksal zahlreicher begabter junger Männer in der Ära des Vormärzes, für
die der Weg über die Theologie oder der Eintritt in ein Kloster oft die beste
Aussicht bot, zumindest als Lehrer an einer geistlichen Schule ein Auskom-
men zu finden.685 Im Revolutionsjahr übernahm er schließlich die Lehrer-
stelle am neu gestalteten Innsbrucker Gymnasium. Neben seiner Tätigkeit
als Lehrer betrieb er eigene literaturhistorische Forschungen, besonders zu
den Tiroler Sagen und Märchen, und seit 1850 gab er gemeinsam mit Tobias
Wildauer die Tiroler Literaturzeitschrift Phönix heraus.686 Besonders seine
rege sammlerische Tätigkeit und seine Veröffentlichungen brachten ihn in
Kontakt mit den Koryphäen der noch jungen Disziplin Germanistik.687 Die-
ses breite Netzwerk an Kontakten im gesamten deutschen Sprachraum war
auch ein zentraler Grund, warum Zingerle 1859 auf den neuen Innsbrucker
Lehrstuhl berufen worden ist.688
681 Jacob Grimm (Hanau 1785–1863 Berlin), Wilhelm Grimm (Hanau 1786–1859 Berlin),
Sprachforscher.
682 Karl Joseph Simrock (Bonn 1802–1876 Bonn), zunächst als Schriftsteller und Übersetzer
tätig, ab 1850 Prof. für deutsche Sprache und Literatur an der Universität Bonn.
683 Vgl. dazu auch Helga rogenHofer-suitner, Ignaz Vinzenz Zingerle 1825–1892. Ein Le-
bensbild. Gedenkschrift zum 100. Todesjahr, Meran 1992, S. 22–23. Der Brief von Wilhelm
Grimm ist dort abgedruckt.
684 Pius Zingerle OSB (Meran 1801–1881 Marienberg), 1818 Eintritt ins Benediktinerstift Ma-
rienberg, ab 1827 Lehrer am Benediktinergymnasium in Meran, 1851–1862 dessen Direk-
tor, 1862–1866 Prof. der orientalischen Sprachen an der Sapienza in Rom.
685 Vgl. dazu bei Adolf PicHLer, Zur tirolischen Literatur, München 1908, S. 255.
686 Siehe dazu Leopold wagner, Ignaz Vinzenz Zingerle. Inauguraldissertation, Innsbruck
1962, S. 204–244.
687 Vgl. zur Biografie von Zingerle vor allem wagner, Ignaz Vinzenz Zingerle, S. 1–18; Wagner
bespricht auch die meisten Werke Zingerles ausführlich. Vgl. auch rogenHofer-suitner,
Ignaz Vinzenz Zingerle 1825–1892. Die Arbeit ist besonders auf Grund ihrer reichen Bebil-
derung hervorzuheben.
688 Majestätsvortrag, 25.05.1858, MCU Allg., Sig. 5, Fasz. 1018, Österreichisches Staatsarchiv,
Allgemeines Verwaltungsarchiv. Vgl. auch die Einschätzung von geBHardt, Ignaz Vinzenz
Die Universität Innsbruck in der Ära der Thun-Hohenstein’schen Reformen 1848–1860
Aufbruch in eine neue Zeit
- Titel
- Die Universität Innsbruck in der Ära der Thun-Hohenstein’schen Reformen 1848–1860
- Untertitel
- Aufbruch in eine neue Zeit
- Autor
- Christof Aichner
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Datum
- 2018
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-205-20847-1
- Abmessungen
- 17.0 x 24.0 cm
- Seiten
- 512
- Schlagwörter
- University of Innsbruck, University Reforms, Thun-Hohenstein, Leo, Universität Innsbruck, Reform, Universitätspolitik, Thun-Hohenstein
- Kategorien
- Geschichte Historische Aufzeichnungen