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7 DIE UNIVERSITÄT UND DIE NATIONALEN AUSEINANDERSETZUNGEN
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womit ein Grundzug und ein Hauptproblem der neoabsolutistischen Poli-
tik deutlich wird. Während man in Wien nämlich vor allem die Zentralisie-
rung der Monarchie im Blick hatte, sah man umgekehrt in Tirol historische
Rechte des Landes bzw. einer zentralen Institution desselben bedroht. Dies
betrifft nicht nur das mehrfach thematisierte Recht, im Umgang mit der
Universität die italienische Sprache gebrauchen zu dürfen, das die Mitglie-
der der Universität als selbstverständliches und wichtiges Gut im zweispra-
chigen Land ansahen, sondern auch die Problematik, dass mit der Reform
der Universitäten im Jahr 1849 das Ministerium für Kultus und Unterricht
zur zentralen übergeordneten Instanz der Universität geworden war. Die
Kompetenzen der Behörden des Landes, das Gubernium bis 1850 und die
Statthalterei im Anschluss daran, wurden dementsprechend abgewertet und
dienten nun hauptsächlich als ‚Zwischenschaltung‘ zwischen Ministerium
und Universität. So lief etwa der gesamte amtliche Verkehr über die Statt-
halterei. Schon Statthalter Cajetan Bissingen versuchte durch seine Initi-
ative, den gestalterischen Einfluss der Landesbehörden wieder zu stärken,
und noch deutlicher wird diese Absicht bei Erzherzog Karl Ludwig, der nicht
nur in der Sprachenfrage mehrfach versucht hatte, aktiv die Geschicke des
Landes zu verbessern und dessen Sonderrechte zu verteidigen. Der Erzher-
zog musste mit seinen Versuchen, die Zentralisierungsbestrebungen der Re-
gierung abzuschwächen, notwendigerweise in Konflikt mit dem Ministerium
geraten. Dass diese Spannungen in diesem Fall nicht allzu heftig ausgefal-
len waren, liegt wohl auch daran, dass just zu derselben Zeit Thun bzw. der
Kaiser Erzherzog Karl Ludwig damit beauftragt hatten, mit der Gesellschaft
Jesu über die Eröffnung der theologischen Fakultät an der Universität zu
verhandeln und damit dem jungen Erzherzog ermöglicht wurde, ein Projekt
voranzutreiben, das ihm auch persönlich am Herzen lag.
Schließlich sollte auch nicht außer Acht gelassen werden, dass zwar so-
wohl Professoren als auch die Statthalterei stets die Gefahr betont hatten,
die Studenten würden bei einem Besuch der Universitäten in Padua und Pa-
via mit dem italienischen Nationalismus in Kontakt geraten, vor dem sie in
Innsbruck gefeit wären. Nicht zuletzt spielte auch die Sorge vor ökonomi-
schen Einbußen eine Rolle in diesem Konflikt. Denn sowohl für die Universi-
tät als auch für Professoren hätte ein Ausbleiben eines bedeutenden Teils der
Studenten einen Ausfall an Kollegiengeldern, die in Innsbruck durch Befrei-
ung zahlreicher Studenten an sich schon nicht hoch waren, und Prüfungsta-
xen einen finanziellen Verlust bedeutet.65 Und auch für zahlreiche Gewerbe-
treibende in der Stadt waren die Studenten eine wichtige Einnahmenquelle.
65 Vgl. dazu die Andeutungen in Akademischer Senat an MCU (Konzept), Innsbruck
09.11.1856, Akten des Rektorates 21, 81/R ex 1856/57, Universitätsarchiv Innsbruck.
Die Universität Innsbruck in der Ära der Thun-Hohenstein’schen Reformen 1848–1860
Aufbruch in eine neue Zeit
- Titel
- Die Universität Innsbruck in der Ära der Thun-Hohenstein’schen Reformen 1848–1860
- Untertitel
- Aufbruch in eine neue Zeit
- Autor
- Christof Aichner
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Datum
- 2018
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-205-20847-1
- Abmessungen
- 17.0 x 24.0 cm
- Seiten
- 512
- Schlagwörter
- University of Innsbruck, University Reforms, Thun-Hohenstein, Leo, Universität Innsbruck, Reform, Universitätspolitik, Thun-Hohenstein
- Kategorien
- Geschichte Historische Aufzeichnungen