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7 DIE UNIVERSITÄT UND DIE NATIONALEN AUSEINANDERSETZUNGEN
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Kriege und auf die Vorstellung einer genuinen „Eigenthümlichkeit deut-
scher Geistesbildung“92, wie Adam Müller es während der napoleonischen
Kriege bezeichnet hatte. In diese Zeit wurde auch der Aufschwung der Wis-
senschaft in Deutschland angesiedelt – parallel zu einem diagnostizierten
Erwachen der deutschen Nation und des deutschen Geistes. Deutsche Wis-
senschaft wurde so zu einer Emanation des Volksgeistes. Ihren Ausdruck
fand sie in den reformierten preußischen Universitäten, wobei besonders die
Freiheit von Lehre und Forschung von Zeitgenossen als wichtigstes Element
angesehen wurden.93 Im Bild der deutschen Wissenschaft vermengten sich
damit die Vorstellung eines durch einen spezifisch deutschen Geist erwach-
ten wissenschaftlichen Aufschwungs, der mit besonderer Bevorzugung der
historischen Methode neue Fächer wie etwa die Germanistik hervorbrachte,
wobei Letztere wiederum selbst eine spezielle deutsche Kulturtradition
herausarbeitete und damit reziprok zum Erstarken der Vorstellung einer
deutschen Wissenschaft beitrug. Aus diesem als Emanation verstandenen
Prozess der deutschen Wissenschaft erwuchs auch die teilweise propagierte
Vorstellung des Führungsanspruches der deutschen Wissenschaften („Welt-
geltung deutscher Wissenschaft“) im Allgemeinen94 und im Speziellen auf
einzelnen Gebieten, beispielsweise der klassischen Philologie.95 Aber auch
in anderen Zweigen der Wissenschaft, etwa der Medizin96, gab es entspre-
92 Adam müLLer, Vorlesungen über die deutsche Wissenschaft und Literatur, Dresden 1806.
93 Vgl. Sylvia PaLetscHek, Was heißt „Weltgeltung deutscher Wissenschaft?“. Modernisie-
rungsleistungen und -defizite der Universitäten im Kaiserreich, in: Michael Grüttner (Hg.),
Gebrochene Wissenschaftskulturen. Universität und Politik im 20. Jahrhundert, Göttingen
2010, S. 29–54, hier S. 32.
94 Vgl. HeLd, Universität, S. 786.
95 Vgl. dazu z.B. aus der Zeit Thuns eine Rezension Bernhard Jülgs von Ján Kollárs staroita-
lia slavjanská, in der Wiener Zeitung, 271 (28.11.1853), S. 276–278, dort: „Die Philologie
und die klassische Alterthumskunde ist eine Deutsche Wissenschaft. Das schließt nicht aus
anzuerkennen, was Franzosen und besonders Italiener Großes geleistet haben, und ebenso
wenig, wenn unter andern Völkern sich hie und da ein großer Geist erhob. Was Deutsche,
Holländer, Engländer geleistet, ist von keinem Volke geschehen; in Deutschland ist die
Philologie eine Wissenschaft geworden und auf dem jetzigen Standpunkte ist sie eine rein
Deutsche Wissenschaft.“ S. 278. Zum Bild der „Weltgeltung deutscher Wissenschaft“ siehe
bei PaLetscHek, Was heißt „Weltgeltung deutscher Wissenschaft?“ Paletschek glaubt, dass
das Bild der „Weltgeltung deutscher Wissenschaft“ um 1900 eine nachträgliche Zuschrei-
bung – besonders durch den gefürchteten Verlust derselben nach dem Ersten Weltkrieg
und auch nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs war.
96 Vgl. dazu etwa bei seeBacHer, Das Fremde im „deutschen“ Tempel der Wissenschaften.
Sie verweist dabei besonders auf das Werk Theodor BiLLrotH, Über das Lehren und Ler-
nen der medicinischen Wissenschaften an den Universitäten der deutschen Nation nebst
allgemeinen Bemerkungen über Universitäten. Eine culturhistorische Studie, Wien 1876.
Der zweite Abschnitt ist mit „Jetzige deutsche Methode des Lehrens der medicinischen
Wissenschaft“ überschrieben.
Die Universität Innsbruck in der Ära der Thun-Hohenstein’schen Reformen 1848–1860
Aufbruch in eine neue Zeit
- Titel
- Die Universität Innsbruck in der Ära der Thun-Hohenstein’schen Reformen 1848–1860
- Untertitel
- Aufbruch in eine neue Zeit
- Autor
- Christof Aichner
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Datum
- 2018
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-205-20847-1
- Abmessungen
- 17.0 x 24.0 cm
- Seiten
- 512
- Schlagwörter
- University of Innsbruck, University Reforms, Thun-Hohenstein, Leo, Universität Innsbruck, Reform, Universitätspolitik, Thun-Hohenstein
- Kategorien
- Geschichte Historische Aufzeichnungen