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jenes immer aufs neue abfallende Neapel wiederzugewinnen, ferner Venedig
zu vernichten und sich ganz Italien zu unterwerfen, sodann Flandern, Brabant
und schließlich ganz Burgund seinem Reiche einzuverleiben und außerdem
noch andere Völker, in deren Land der König schon längst im Geiste
eingefallen ist. Hier rät der eine, mit den Venetianern ein Bündnis zu
schließen, aber nur für so lange, als es den Franzosen Nutzen bringt; mit
ihnen gemeinschaftliche Sache zu machen, ja auch einen Teil der Beute ihnen
anzuvertrauen und dann wieder zurückzuverlangen, wenn alles nach Wunsch
gegangen ist; ein anderer wieder schlägt vor, deutsche Landsknechte
anzuwerben; ein dritter, Schweizer mit Geld kirre zu machen; ein vierter, sich
die Gunst der kaiserlichen Majestät durch Gold wie durch ein Weihgeschenk
zu erkaufen. Ein anderer wieder rät dem Fürsten, sich mit dem König von
Aragonien gütlich zu einigen und ihm gleichsam als Unterpfand des Friedens
das Königreich Navarra abzutreten, das ihm aber gar nicht gehört.
Unterdessen will ein anderer den Prinzen von Kastilien durch eine Aussicht
auf eine Verschwägerung ins Garn locken und einige Granden seines Hofes
durch eine bestimmte Barzahlung auf die Seite Frankreichs ziehen. Nun aber
stößt man auf die allergrößte Schwierigkeit, was man nämlich bei alledem in
betreff Englands beschließen soll: immerhin müsse man mit ihm doch
wenigstens Friedensverhandlungen anknüpfen und das immer unsicher
bleibende Bündnis durch recht starke Bande befestigen; die Engländer solle
man zwar Freunde nennen, ihnen aber wie Feinden mißtrauen und deshalb die
Schotten für jeden Fall schlagfertig, gleichsam auf Posten, in Bereitschaft
halten und sie sofort auf die Engländer loslassen, sobald sich diese irgendwie
rührten. Außerdem müsse man einen hohen, in der Verbannung lebenden
Adligen unterstützen, und zwar im geheimen – eine offene Protektion lassen
nämlich die Verträge nicht zu –, der den englischen Thron für sich
beanspruche. Das solle für den König von Frankreich eine Handhabe sein,
den König von England im Zaume zu halten, dem er nicht trauen dürfe.
Und nun denke dir, hier, bei einem solchen Drange der Geschäfte, wenn so
viele ausgezeichnete Männer um die Wette Ratschläge für den Krieg erteilen,
stünde ich armseliges Menschenkind auf und hieße plötzlich den Kurs ändern,
schlüge vor, Italien aufzugeben, und behauptete, man müsse im Lande
bleiben; das eine Königreich Frankreich sei schon fast zu groß, als daß es ein
einziger gut verwalten könne; der König solle doch nicht glauben, er dürfe
noch an die Einverleibung anderer Reiche denken; und ich riete ihnen dann
weiter, dem Beispiele der Achorier zu folgen, eines Volkes, das der Insel
Utopia im Südosten gegenüberliegt. In alten Zeiten hatten sie einmal einen
Krieg geführt, um ihrem König den Besitz eines zweiten Reiches zu sichern,
das er auf Grund einer alten Verwandtschaft als sein Erbe beanspruchte. Als
sie endlich ihr Ziel erreicht hatten, mußten sie jedoch einsehen, daß die
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Buch Utopia"
Utopia
- Titel
- Utopia
- Autor
- Thomas Morus
- Datum
- 1516
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- PD
- Abmessungen
- 21.0 x 29.7 cm
- Seiten
- 106
- Schlagwörter
- Utopie, Staat, Religion
- Kategorien
- Weiteres Belletristik