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das Studium verwendet und durch seinen Fleiß so große Fortschritte macht,
daß man ihn von der Handarbeit befreit und in die Klasse der Gebildeten
aufrücken läßt. Aus deren Stande nimmt man die Gesandten, Priester,
Traniboren und schließlich den Bürgermeister selber, den die Utopier in ihrer
alten Sprache Barzanes und in ihrer jüngeren Ademus nennen. Da nun fast die
ganze übrige Masse des Volkes weder untätig noch mit unnützen Gewerben
beschäftigt ist, kann man leicht ermessen, in wie wenigen Stunden viel
nützliche Arbeit geleistet wird.
Zu dem von mir Erwähnten kommt für die Utopier noch die Erleichterung
hinzu, daß bei ihnen die meisten unentbehrlichen Gewerbe weniger Arbeit als
bei anderen Völkern erfordern. Erstens nämlich ist bei diesen zum Bau oder
zur Ausbesserung von Gebäuden deshalb so vieler Hände Arbeit dauernd
notwendig, weil der zu wenig wirtschaftliche Erbe das Haus, das sein Vater
erbaut bat, allmählich verfallen läßt. Was er mit ganz geringen Kosten hätte
erhalten können, muß sein Nachfolger mit großen Kosten erneuern. Ja, häufig
sagt auch ein Haus, das dem einen ungeheuer viel Geld gekostet hat, dem
verwöhnten Geschmack des anderen nicht zu. Da sich dieser nicht darum
kümmert, verfällt es in kurzer Zeit, und sein Besitzer baut sich an anderer
Stelle ein neues Haus für nicht weniger Geld. Aber bei den Utopiern kommt
es, dank der allgemeinen Ordnung und dank ihrer Verfassung, nur ganz selten
vor, daß man einen neuen Platz für den Bau eines Hauses sucht. Und sie
beheben nicht nur rasch die vorhandenen Schäden, sondern beugen auch
drohenden vor. Infolgedessen bleiben ihre Gebäude bei ganz geringem
Aufwand an Arbeit überaus lange erhalten, und die Bauhandwerker haben
bisweilen kaum etwas zu tun, außer daß sie angewiesen werden, daheim
Bauholz zu bearbeiten und bisweilen Steine quadratisch zu behauen und
fertigzumachen, damit gegebenenfalls ein Haus schneller hochkommt.
Beachte ferner, wie wenig Arbeit zur Anfertigung der Kleidung der Utopier
erforderlich ist! Zunächst tragen sie bei der Arbeit einfach Leder oder Felle,
die bis zu sieben Jahren halten. Beim Ausgehen ziehen sie einen
mantelähnlichem Rock über, der jene gröberen Unterkleider verdeckt. Diese
Röcke haben auf der ganzen Insel die gleiche Farbe, und zwar die Naturfarbe
des Stoffes. Die Utopier verbrauchen also nicht bloß viel weniger wollenes
Tuch, als das anderswo der Fall ist, sondern der Stoff kostet ihnen auch viel
weniger. Aber noch weniger Arbeit macht die Herstellung von Leinwand, und
deshalb trägt man sie auch noch mehr. Beim Leinen sieht man nur auf Weiße,
bei der Wolle nur auf Sauberkeit; feinere Webart wird gar nicht bezahlt. Und
während sonst nirgends einer Person vier oder fünf wollene Oberkleider von
verschiedener Farbe und ebenso viele Untersachen aus Seide genügen – etwas
eleganteren Leuten nicht einmal zehn –, begnügt sich hier in Utopien ein jeder
mit nur einem Anzug, und zwar zumeist für zwei Jahre. Warum sollte sich
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Buch Utopia"
Utopia
- Titel
- Utopia
- Autor
- Thomas Morus
- Datum
- 1516
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- PD
- Abmessungen
- 21.0 x 29.7 cm
- Seiten
- 106
- Schlagwörter
- Utopie, Staat, Religion
- Kategorien
- Weiteres Belletristik