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Sorgfalt geheim, damit sie nicht bekannt werden, ehe man sie braucht, und
nicht mehr Spott und Hohn erregen als Nutzen stiften. Bei ihrer Herstellung
achtet man besonders darauf, daß sie leicht zu fahren und bequem zu lenken
sind. Einen Waffenstillstand, den die Utopier mit dem Feind abschließen,
halten sie so gewissenhaft, daß sie ihn nicht einmal dann verletzen, wenn sie
gereizt werden. Im Feindesland richten sie keine Verwüstungen an; auch
brennen sie die Saaten nicht nieder. Ja, sie sorgen sogar dafür, daß nach
Möglichkeit weder Menschen noch Pferde die Saaten zertreten, weil sie der
Ansicht sind, daß sie zu ihrem eigenen Vorteil wachsen. Einem Wehrlosen tun
sie nichts zuleide, wenn er nicht gerade ein Spion ist. Städte, die sich ihnen
ergeben, schonen sie; aber auch solche, die sie erst erobern müssen, plündern
sie nicht; wohl aber lassen sie diejenigen Bürger, die die Übergabe zu
verhindern gesucht haben, erwürgen, während sie die anderen Verteidiger zu
Sklaven machen. Der gesamten Bevölkerung, die nicht mitgekämpft hat, wird
kein Haar gekrümmt. Wenn die Utopier erfahren, daß einige Bürger zur
Übergabe geraten haben, so machen sie ihnen einen Teil von dem Hab und
Gut der Verurteilten zum Geschenk; den Rest geben sie ihren Hilfstruppen:
denn von ihnen selbst begehrt niemand einen Anteil an der Beute. Nach
Beendigung des Krieges aber legen sie die Kosten nicht ihren Freunden auf,
für die sie sie aufgewendet haben, sondern den Besiegten und fordern auf
Grund dessen zum Teil bares Geld, das sie dann für ähnliche Kriegszwecke
aufsparen, zum Teil Grund und Boden, der ihnen im Lande der Besiegten
dauernd gehört und einen nicht geringen Ertrag bringt.
Derartige Einkünfte haben die Utopier jetzt bei vielen Völkern; sie sind aus
verschiedenen Ursachen im Laufe der Zeit entstanden und bis auf mehr als
700+000 Dukaten im Jahr angewachsen. Zu ihrer Erhebung entsenden sie
einige von ihren Mitbürgern als sogenannte Quästoren, die in dem fremden
Lande prächtig leben und in der Art großer Herren auftreten. Aber trotzdem
bleibt noch viel Geld übrig, das in die Staatskasse fließt, soweit es die
Quästoren nicht lieber dem betreffenden Volke leihen wollen, was sie häufig
so lange tun, bis sie es notwendig brauchen. Und kaum jemals kommt es vor,
daß sie den ganzen Betrag zurückverlangen. Von dem erwähnten Grund und
Boden übereignen die Utopier einen Teil denjenigen, die sich auf ihre
Veranlassung einer so großen Gefahr aussetzten, wie ich sie weiter oben
geschildert habe.
Greift irgendein Fürst zu den Waffen gegen die Utopier und schickt er sich
an, in ihr Gebiet einzufallen, so treten sie ihm sogleich mit starken Kräften
außerhalb ihres Landes entgegen; denn weder führen sie ohne Not im eigenen
Lande Krieg, noch ist irgendeine Not jemals so schlimm, daß sie die Utopier
zwingen könnte, fremde Hilfstruppen auf ihre Insel zu lassen.
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Buch Utopia"
Utopia
- Titel
- Utopia
- Autor
- Thomas Morus
- Datum
- 1516
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- PD
- Abmessungen
- 21.0 x 29.7 cm
- Seiten
- 106
- Schlagwörter
- Utopie, Staat, Religion
- Kategorien
- Weiteres Belletristik