Seite - 59 - in Venus im Pelz
Bild der Seite - 59 -
Text der Seite - 59 -
ruhte unter einer kleinen dunklen Pelzmütze, von welcher ein schwarzer
Schleier ringsum herabfiel. Wanda war sehr gut aufgelegt, steckte mir
Bonbons in den Mund, frisierte mich, löste mein Halstuch und schlang es in
eine reizende, kleine Masche, deckte ihren Pelz über meine Knie, um dann
verstohlen die Finger meiner Hand zusammenzupressen, und wenn unser
jüdischer Kutscher einige Zeit konsequent vor sich hinnickte, gab sie mir
sogar einen Kuß und ihre kalten Lippen hatten dabei jenen frischen, frostigen
Duft einer jungen Rose, welche im Herbste einsam zwischen kahlen Stauden
und gelben Blättern blüht, und deren Kelch der erste Reif mit kleinen, eisigen
Diamanten behangen hat.
Das ist die Kreisstadt. Wir steigen vor dem Bahnhofe aus. Wanda wirft
ihren Pelz ab und mir mit einem reizenden Lächeln über den Arm, dann geht
sie die Karten lösen.
Wie sie zurückkehrt, ist sie vollkommen verändert.
»Hier ist dein Billett, Gregor«, spricht sie in dem Tone, in welchem
hochmütige Damen zu ihren Lakaien sprechen.
»Ein Billett dritter Klasse«, erwiderte ich mit komischem Entsetzen.
»Natürlich«, fährt sie fort, »nun gib aber acht, du steigst erst dann ein,
wenn ich im Coupé bin und deiner nicht mehr bedarf. Auf jeder Station hast
du zu meinem Waggon zu eilen und nach meinen Befehlen zu fragen.
Versäume dies ja nicht. Und nun gib mir meinen Pelz.«
Nachdem ich ihr demütig wie ein Sklave hineingeholfen, suchte sie, von
mir gefolgt, ein leeres Coupé erster Klasse auf, sprang auf meine Schulter
gestützt hinein und ließ sich von mir die Füße in Bärenfelle einhüllen und auf
die Wärmflasche setzen.
Dann nickte sie mir zu und entließ mich. Ich stieg langsam in einen
Waggon dritter Klasse, der mit dem niederträchtigsten Tabaksqualm, wie die
Vorhölle mit dem Nebel des Acheron gefüllt war, und hatte nun Muße, über
die Rätsel des menschlichen Daseins nachzudenken, und über das größte
dieser Rätsel – das Weib.
Sooft der Zug hält, springe ich heraus, laufe zu ihrem Waggon und erwarte
mit abgezogener Mütze ihre Befehle. Sie wünscht bald einen Kaffee, bald ein
Glas Wasser, einmal ein kleines Souper, ein anderesmal ein Becken mit
warmem Wasser, um sich die Hände zu waschen, so geht es fort, sie läßt sich
von ein paar Kavalieren, die in ihr Coupé gestiegen sind, den Hof machen; ich
59
zurück zum
Buch Venus im Pelz"
Venus im Pelz
- Titel
- Venus im Pelz
- Autor
- Leopold Von Sacher-Masoch
- Datum
- 1901
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- PD
- Abmessungen
- 21.0 x 29.7 cm
- Seiten
- 114
- Schlagwörter
- Novelle, Liebe
- Kategorien
- Weiteres Belletristik