Seite - 110 - in Venus im Pelz
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küßte mich. Mich ergriff in diesem Augenblicke wieder der volle Fanatismus
meiner Leidenschaft.
»Nun, wo ist die Peitsche?« fragte ich.
Wanda lachte und trat zwei Schritte zurück.
»Du willst also durchaus gepeitscht werden?« rief sie, indem sie den Kopf
übermütig in den Nacken warf.
»Ja.«
Auf einmal war Wandas Gesicht vollkommen verändert, wie vom Zorne
entstellt, sie schien mir einen Moment sogar häßlich.
»Also peitschen Sie ihn!« rief sie laut.
In demselben Augenblicke steckte der schöne Grieche seinen schwarzen
Lockenkopf durch die Gardinen ihres Himmelbettes. Ich war anfangs
sprachlos, starr. Die Situation war entsetzlich komisch, ich hätte selbst laut
aufgelacht, wenn sie nicht zugleich so verzweifelt traurig, so schmachvoll für
mich gewesen wäre.
Das übertraf meine Phantasie. Es lief mir kalt über den Rücken, als mein
Nebenbuhler heraustrat in seinen Reitstiefeln, seinem engen, weißen
Beinkleid, sei nem knappen Samtrock, und mein Blick auf seine athletischen
Glieder fiel.
»Sie sind in der Tat grausam«, sprach er, zu Wanda gekehrt.
»Nur genußsüchtig«, entgegnete sie mit wildem Humor, »der Genuß macht
allein das Dasein wertvoll, wer genießt, der scheidet schwer vom Leben, wer
leidet oder darbt, grüßt den Tod wie einen Freund; wer aber genießen will,
muß das Leben heiter nehmen, im Sinne der Antike, er muß sich nicht
scheuen, auf Kosten anderer zu schwelgen, er darf nie Erbarmen haben, er
muß andere vor seinen Wagen, vor seinen Pflug spannen, wie Tiere;
Menschen, die fühlen, die genießen möchten, wie er, zu seinem Sklaven
machen, sie ausnutzen in seinem Dienste, zu seinen Freuden, ohne Reue;
nicht fragen, ob ihnen auch wohl dabei geschieht, ob sie zugrunde gehen. Er
muß immer vor Augen haben: wenn sie mich so in der Hand hätten, wie ich
sie, täten sie mir dasselbe, und ich müßte mit meinem Schweiße, meinem
Blute, meiner Seele ihre Genüsse bezahlen. So war die Welt der Alten, Genuß
und Grausamkeit, Freiheit und Sklaverei gingen von jeher Hand in Hand;
Menschen, welche gleich olympischen Göttern leben wollen, müssen Sklaven
haben, welche sie in ihre Fischteiche werfen, und Gladiatoren, die sie
während ihres üppigen Gastmahls kämpfen lassen und sich nichts daraus
machen, wenn dabei etwas Blut auf sie spritzt.«
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Venus im Pelz
- Titel
- Venus im Pelz
- Autor
- Leopold Von Sacher-Masoch
- Datum
- 1901
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- PD
- Abmessungen
- 21.0 x 29.7 cm
- Seiten
- 114
- Schlagwörter
- Novelle, Liebe
- Kategorien
- Weiteres Belletristik