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2.2 InstitutionalisierungderösterreichischenWerbebranche
DerVerfall der öffentlichen Sittlichkeit schreitet unaufhörlich voran. Theater undKino, Schau-
fenster, Reklame undKolportage [...] ertöten den letzten Rest des natürlichenAnstandes und
bahnenbolschewistischenMoralgrundsätzendenWeg.53
DieserdiffamierendeAnwurf desLinzerBischofs JohannesGföllner, der sichmehr-
mals inähnlicherWeiseüberdie„schädlicheWirkung“desmodernenKulturlebens
äußerte und mitunter auch antisemitische Untergriffe nicht scheute,54 vermittelt
eine in breiten Kreisen der Gesellschaft verankerte Ablehnung der werbenden
Zunft. Unseriöse Arbeitspraktiken, marktschreierisches Gebaren und unlautere
Werbebotschaften wurden den Reklametreibenden oftmals unterstellt.55 Umso
mehr lag es im Interesse der österreichischenWerbeschaffenden, das öffentliche
ImagederBranchemittelsorganisierterAufklärungsarbeitundklarergemeinschaft-
licher Darlegung der Aufgaben, Regeln und Ziele derWerbetreibenden nachhaltig
positiv zu beeinflussen. Unter der Devise „Kampf umdieWahrheit und gegen die
Pfuscherei“ suchte man durch eine Vielzahl an Maßnahmen (Vorträge, Pressear-
beit,EinrichtungeinerReklameberatungsstelleetc.),dasVertrauen indasReklame-
wesenzustärken.56
Zur Entwicklung eines Standesbewusstseins und umein starkes, geschlossenes
Vorgehen – etwa gegen die staatlichen Besteuerungssysteme – zu sichern, organi-
sierte sichdieösterreichischeWerbebrancheMitte der 1920er-Jahre in Interessenver-
bänden.57 Ein erster überregionalerVersucheines kooperativenZusammenschlusses
erfolgte bereits 1914.Mit der Gründung der „FreienVereinigung für Reklame-Kunst
undWissenschaft“ verbandenReklametreibendedes deutschsprachigenRaumsden
Wunsch,Werbeforschung zu betreiben, die Ausbildung qualifizierter Fachkräfte zu
forcieren und dieWerbekunst zunehemnd zu ästhetisieren.58 1922 konstituiert sich
alsZweigstelledesWienerKaufmännischenVereinsdie„ÖsterreichischeGesellschaft
53 ÖsterreichischeReklame,„JohannesMariaunddieReklame“,Nr.8,Februar1928,S.32.
54 Vgl. Moser, Karin: „Eine unerhörte jüdische Frechheit“ – JEW SÜSS, in: Moritz, Verena/Moser,
Karin/Leidinger,Hannes:KampfzoneKino.FilminÖsterreich1918–1938,Wien2008,S.322.
55 Vgl.u.a.:ÖsterreichischeReklame,„Wirarbeiten!“,Nr. 1,November1926,S.3.
56 ÖsterreichischeReklame,„DerAufstiegderReklamevomPfuschertumzurWissenschaft“,Nr. 1,
November 1926, S. 4.Kontakt, „Die letzte Entwicklung unddie nächstenAufgaben der Reklame“,
Nr. 1, Jänner 1931,S.3 f.
57 Vgl.dazuauch:ÖsterreichischeReklame,„Reklameunterricht“,Nr. 12,April 1928,S.7.
58 Unter denMitgliedern der Vereinigung fanden sich u.a. auchVertreter aus Amsterdam, Prag,
Moskau und Pilsen. Vgl. dazu: Ruben, Paul (Hg.): Die Reklame – ihre Kunst undWissenschaft,
Band2,Berlin 1914. Zit. nach:Pernsteiner, SilviaMaria: ZumSchutzgegenExzesse,Ausbeutungen
undMonopolstellungen: DieAnfänge des organisiertenReklamewesens inÖsterreich, Dipl.,Wien
2008,S.33–34. 2.2 InstitutionalisierungderösterreichischenWerbebranche 15
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Der österreichische Werbefilm
Die Genese eines Genres von seinen Anfängen bis 1938
- Titel
- Der österreichische Werbefilm
- Untertitel
- Die Genese eines Genres von seinen Anfängen bis 1938
- Autor
- Karin Moser
- Verlag
- De Gruyter Open Ltd
- Datum
- 2019
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-11-062230-0
- Abmessungen
- 17.0 x 24.0 cm
- Seiten
- 316
- Schlagwörter
- Culture of memory, media history, advertising
- Kategorie
- Kunst und Kultur