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und einProgrammder beabsichtigtenVorlesungenbeizufügen.Das Professo-
renkollegium konnte in drei Fällen das Habilitationsgesuch sofort abweisen:
Erstens»wennderBewerberdenNachweisder[…]Erfordernissenichtgeliefert
hat«, zweitens »wenndasProfessorenkollegiumerachtet[e], daßdie beabsich-
tigtenVorlesungennachihremGegenstandederFakultätnichtangehören«und
drittens »wennauseinemanderen inderPersönlichkeit desBewerbers gelege-
nenGrundesichdieErteilungderveniadocendialsunzulässigdarstellte«.6Traf
keinerderdreiFällezu,sowurdedieHabilitationsschriftdurchFachmänneraus
dem Kreise des Professorenkollegiums begutachtet und anhand dieser Gut-
achten beschlossen, »ob der wissenschaftlicheWert die Erteilung der Lehrbe-
fugnis zubegründenvermag«7.WenndasGutachtennegativausfiel,wurdeder
Bewerber verständigt; er konnte dagegenmittels Rekurs an das Unterrichts-
ministeriumvorgehen.WarderBeschlussdesProfessorenkollegiumshingegen
positiv,sowurdedasHabilitationsverfahrenfortgesetzt.DernächsteSchrittwar
dasKolloquium,eine»wissenschaftlicheBesprechung«8.DasKolloquiumwurde
vom gesamten Professorenkollegium mit dem Habilitationswerber durchge-
führt. Es war nicht auf das Thema der »wissenschaftlichen Abhandlung be-
schränkt, sondernsoll[te], vomInhaltdesselbenausgehend, sichaufdasganze
Gebiet erstrecken,überwelchesderKandidatVorlesungenzuhaltenbeabsich-
tigte«9.NacheinemerfolgreichenKolloquiumwurdeeinTerminfürden letzten
Punkt,denProbevortrag,ausgemacht.10DieserwurdevorallenProfessorenund
Dozenten der Universität, die daran teilnehmen wollten, gehalten. Danach
musste das Professorenkollegium den Beschluss fassen, ob der Kandidat die
Lehrbefugnis bekommen sollte. Bejahendenfalls musste dieser vom Unter-
richtsministeriumbestätigtwerden.
NachdererfolgreichenHabilitierungwurdederBewerberPrivatdozentund
war nunbefugt, Lehrveranstaltungen ander Fakultät zu halten. Sollte erüber
vier Semester hinwegkeineLehrveranstaltungenankündigen, so erlosch seine
Lehrbefugnis. Die venia docendi berechtigte den Privatdozenten nur an der
Fakultät jenerUniversität, ander er sichhabilitiert hatte, zu lehren–dasPro-
fessorenkollegiumkonnte jedoch denBeschluss fassen, einemPrivatdozenten
eineranderenUniversitätohneneuerlichenHabilitierungsaktdieveniadocendi
zu verleihen. Auch in diesem Fall bedurfte es einer Genehmigung durch den
Unterrichtsminister.
Die neueHabilitationsnorm aus 1920 nahmdieHabilVO 1888 als Vorbild,
6 §6HabilVO1888.Der letzteFall lagbeispielsweisebeiKarlAdler vor.
7 §7HabilVO1888.
8 §8Abs.2HabilVO1888.
9 §9Abs.2HabilVO1888.
10 Gem. §12HabilVO 1888 konntenKolloquiumund Probevortrag in Ausnahmefällen ent-
fallen.
Habilitationsrecht50
Die Wiener Rechts- und Staatswissenschaftliche Fakultät 1918–1938
- Titel
- Die Wiener Rechts- und Staatswissenschaftliche Fakultät 1918–1938
- Autoren
- Thomas Olechowski
- Tamara Ehs
- Kamila Staudigl-Ciechowicz
- Verlag
- V&R unipress GmbH
- Datum
- 2014
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY-NC-ND 4.0
- ISBN
- 978-3-89971-985-7
- Abmessungen
- 15.5 x 23.2 cm
- Seiten
- 838
- Kategorie
- Recht und Politik