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DeutschenStudentenschaft –welchedieVertretungallerösterreichischenStu-
dierenden deutscher Nation für sich beanspruchte36 – und der Professoren
Gleispach und Hugelmann entstand.37 Formell beschlossen wurde sie am
20.März 1930vomAkademischenSenatderUniversitätWien. Sie knüpfte die
Vertretungsrechte an der Universität an die Muttersprache und die Abstam-
mung. Studierende gleicher Muttersprache und Abstammung konnten eine
Studentennation als Vertretungskörper bilden. Studierende deutscherMutter-
spracheundAbstammungwurdenvonderDeutschenStudentenschaft vertre-
ten, nicht aufgenommenwurden indieDeutsche Studentenschaft Studierende
jüdischerHerkunft. Diese Gruppe an Studierendenwurde somit bewusst dis-
kriminiert,wasauchvonderzeitgenössischenPresseaufgegriffenwurde.38Die
Studentenordnungwarnicht von langerDauer, bereits im Juni 1931wurde sie
aus formellrechtlichenGründenvomVerfassungsgerichtshof aufgehoben.39
Die antisemitischen Ausschreitungen kulminierten schließlich nach dem
»Anschluß« anHitlerdeutschland.Nun setzte auch inÖsterreichdieAusgren-
zungStudierenderausrassischenundpolitischenGründenimgroßenStilein.40
DieWiener Universität zog zwar als Studienort viele Studierende an und
konnte sich einigen Ruhmes erfreuen, jedoch hatte sie den anderen österrei-
chischenUniversitätengegenüber auch einengewissenNachteil – esherrschte
an ihr stets eine gewisse Anonymität und der Kontakt zwischen den Studie-
renden und den Lehrenden beschränkte sich – zumindest in den rechts- und
staatswissenschaftlichen Hauptfächern – auf das notwendige Minimum. Gar
manchen Studenten schreckte diese mangelnde Diskussionsmöglichkeit
schlechtweg ab: SobeschriebWalterUllmann, der anderUniversitätWien im
Wintersemester 1929/30 die Rechtswissenschaften inskribiert hatte, seinen
Studienalltag wie folgt: »Obwohl ich fachlich gut vorankam, bedauerte ich es
sehr,daßmanstetsauf sichselbstangewiesenwar–mitProfessorenhatteman
nieKontakt, höchstensmit jungenAssistenten, die aber sehrkargmitRatund
HilferücksichtlichLiteraturundQuellenwaren.Aberwiesolltesichderebender
36 Die Deutsche Studentenschaft setzte sich aus deutsch-nationalen und katholischen Stu-
dentenvereinigungen zusammen. Zur Entstehung der Deutschen Studentenschaft vgl.
Lichtenberger-Fenz, »…DeutscherAbstammungundMuttersprache«.
37 ZurStudentenordnungvgl. Lichtenberger-Fenz, »…DeutscherAbstammungundMut-
tersprache« 75–108; Höflechner, Die Baumeister des künftigenGlücks 360–368, 384–
387;Reiter,DieUniversität imDrittenReich375–377.
38 So erschien inderWienerAllgemeinenZeitungvom11.4. 1930einArtikel hiezumitdem
Titel »Legalisierung des Arierparagraphen«, vgl. dazu auch Lichtenberger-Fenz,
»…DeutscherAbstammungundMuttersprache«98–102.
39 Erkenntnis desVfGHvom20.6. 1931,VfSlg1397.Vgl. Staudigl-Ciechowicz, VonAda-
movichbisPfeifer222.
40 Dazu vgl. Posch, März 1938. »Anschluß« undAusschluss; Posch, Die Studierenden von
1938.
StudienrechtundStudienbedingungen 111
Die Wiener Rechts- und Staatswissenschaftliche Fakultät 1918–1938
- Titel
- Die Wiener Rechts- und Staatswissenschaftliche Fakultät 1918–1938
- Autoren
- Thomas Olechowski
- Tamara Ehs
- Kamila Staudigl-Ciechowicz
- Verlag
- V&R unipress GmbH
- Datum
- 2014
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY-NC-ND 4.0
- ISBN
- 978-3-89971-985-7
- Abmessungen
- 15.5 x 23.2 cm
- Seiten
- 838
- Kategorie
- Recht und Politik