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Das mindermächtige reformierte Fürstentum Anhalt 19
ten, die restlichen Rittergutsbesitzer waren ausgekauft worden – Anhalt-Dessau zählt da-
mit nach Ansicht einiger Forscher zu einem Musterland des in der Geschichtswissenschaft
kritisch diskutierten „Absolutismus“-Konzeptes61, umgekehrt könnte man sagen, dass
Leopold von Anhalt-Dessau sein Land nach dem Auskauf des Adels wie ein „Grundherr“
regierte. Dieser Landesausbau verlief nicht zimperlich, intermediäre Herrschaftsrechte
und adelige Herrschaftspartizipation, aber auch eigenständige Entscheidungen waren ein-
deutig im Weg. So lieĂź Leopold I. alle Mitglieder des Dessauer Stadtrates unter Einschluss
des Syndikus 1746 in Haft legen und sieben bzw. vierzehn Tage in Arrest halten, weil er
mit der Stadtverwaltung und mit der Arbeit der Stadträte unzufrieden war62.
Die aktuelle Forschung zählt die Angehörigen der genannten askanischen Linien zu
den „mindermächtigen Reichsständen“63 dieser Epoche, und tatsächlich war es für sie
alles andere als einfach, im Netz von verschiedenen, zum Teil divergierenden Interessen-
sphären im Heiligen Römischen Reich ihre Positionen zu wahren bzw. gegebenenfalls
sogar auszubauen. Zum Tragen kamen dabei höchst unterschiedliche Momente, unter de-
nen hier exemplarisch nur auf die Beziehungen zu den Nachbarn, auf das Verhältnis zum
Reich und zu dessen Oberhaupt und auf die konfessionelle Frage hingewiesen werden
soll. Schwankende und nicht selten ausbleibende EinkĂĽnfte bildeten gleichsam den fi-
nanzpolitischen Hintergrund für die vielfältigen Probleme, und nicht selten trugen finan-
zielle Zwänge und Engpässe ganz entscheidend dazu bei, eigene Interessen am Kaiserhof
oder auch im Kontext des Reichstages eben nicht mit dem nötigen Nachdruck vertreten
und durchsetzen zu können. Zu Recht streicht die neuere, stärker kulturwissenschaftlich
interessierte Reichsforschung aber hervor, wie das so zersplitterte anhaltische Haus mit-
tels erfolgreicher BĂĽndnis- und Klientelpolitik sowohl am seit 1663 permanent tagenden
Reichstag zu Regensburg als auch am Kaiserhof in Wien zumindest in Erscheinung trat.
Gerade auch der ausgesprochen kaiserfreundlich-reichspatriotischen Haltung FĂĽrst Jo-
hann Georgs II. von Anhalt-Dessau kam in dieser Hinsicht Bedeutung zu. Die chroni-
schen Geldnöte der mit Brandenburg eng verbundenen Fürsten von Anhalt machten es
ihm freilich unmöglich, einen ständigen Gesandten am Kaiserhof zu unterhalten. Nur bei
dringendem Bedarf konnten anhaltische Räte als Sonderbevollmächtigte in Wien einge-
setzt werden64 – und genau in solch einen Zusammenhang gehört auch die mehrjährige
Tätigkeit „unseres“ Bernhard Georg Andermüller in Wien, dem Zentrum des Heiligen
Römischen Reiches.
61 Asmus, Sachsen-Anhalt 65–75; dazu auch Die Habsburgermonarchie 1620 bis 1740.
62 Freitag, Die FĂĽrsten von Anhalt 22.
63 Wie wichtig es ist und wie sehr es sich lohnt, gerade über die „Reichspolitik der mindermächtigen
Reichs
stände“ eingehender zu forschen, hat zuletzt abermals Rohrschneider, Österreich und der Immerwäh-
rende Reichstag 18f., mit Nachdruck hervorgestrichen.
64 Vgl. Rohrschneider, Möglichkeiten und Grenzen 191‒193.
Die Transformation des Wiener Stadtbildes um 1700
- Titel
- Die Transformation des Wiener Stadtbildes um 1700
- Autoren
- Ferdinand Opll
- Martin Scheutz
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Ort
- Wien
- Datum
- 2018
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-205-20856-3
- Abmessungen
- 16.9 x 23.9 cm
- Seiten
- 212
- Schlagwörter
- History, Höfische Netzwerke, Wien, Kartografie, Stadtentwicklung, Karten, Reichshofrat, Europäische Geschichte
- Kategorien
- Geschichte Historische Aufzeichnungen