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Der diplomatische Alltag 33
Diplomaten tätig waren. Unterhalb des Botschafterranges gab es also Gesandte, die zwar
hierarchisch unter dem Botschafter standen, aber oft über langjährige Erfahrung vor Ort
verfügten. Der Resident war vielleicht der wichtigste, zwischenstaatliche Nachrichtenbro-
ker darunter, der oft über Jahrzehnte und mitunter im Dienst verschiedener Mächte ste-
hend mit der Sammlung von Nachrichten für seine Auftraggeber beschäftigt war. Obwohl
diese Residenten einen niederen Status innerhalb der diplomatischen Ämterhierarchie be-
saßen, waren ihr Wissen um die Amtspraxis, ihre Personalkenntnis und das lokale Wissen
von essentieller Bedeutung125.
Frühneuzeitliche Diplomaten in all ihren sozialen Facetten waren also Spezialis-
ten der Informationsbeschaffung und Experten der interkulturellen Kommunikation
schlechthin126. Übersetzungsleistungen verschiedenster Art gehörten zu ihrem täglichen
Geschäft127. Diplomatie bezeichnet deshalb nach einem Konsens der neueren Forschung
„das Aufeinandertreffen[, den Umgang] und Konkurrieren verschiedener Deutungshori-
zonte und Bedeutungszuschreibungen“128. Eine neuerdings an Gewicht gewinnende Kul-
turgeschichte der Diplomatie129 sucht die Sprachebenen der Akteure zu erforschen, aber
auch deren Deutungshorizonte zu ergründen. Die Diplomaten mussten ihre Fähigkeit
eines interkulturellen und politischen Verständnisses bzw. einer Wahrnehmung des Frem-
den130 durch regelmäßige Berichte unter Beweis stellen, ohne dass diese mitunter über
Spionage gegrabenen Informationskanäle immer sichtbar werden. Diplomaten hatten
differenzierte, glaubhaft wirkende Hintergrundinformationen und aktuelle Einschätzun-
gen der politischen Lage zu liefern. Die Geschichte der Beziehungen von Staaten in der
Frühen Neuzeit lässt sich demnach als eine Geschichte der „wechselseitige[n] Beeinflus-
sung, Verflechtung, Integration“ und des Einflusses von „Akteuren und Strukturen jen-
seits der staatlichen Ebene“131 interpretieren. Diplomatiegeschichte kann deshalb nicht
nur als Politikgeschichte, sondern als eine Geschichte der Kultur und der Gesellschaft
gefasst werden – auf die frühneuzeitlichen Diplomaten kam deshalb die umfassende und
komplexe Aufgabe einer Perzeption der fremden kulturellen und politischen Welt zu. Den
Diplomaten oblag die Wahrnehmung der Realität, die allerdings von verschiedenen Fak-
toren wie Verständigungsbereitschaft, Dominanzstreben bzw. Unterwerfungsbereitschaft,
nationalen Stereotypen, Freund- und Feindbildern, Tradition und im 17. Jahrhundert
noch von religiös-konfessionellen Fragen wesentlich beeinflusst war132.
Nicht nur Informationen zu den verschiedenen „Faktionen“ (i. e. Parteiungen) bei
Hof, zu politischen Absichten und Strategien der Landesfürsten wurden von Diplomaten
als Informationsbrokern gehandelt, sondern der frühneuzeitliche Diplomat war auch ein
125 Anuschka Tischer, Art. Diplomatie. EdN 2 (2005) 1028–1041, hier 1039.
126 Zur Epistemologie des Fremden bei Gesandten und deren Fremdheitsstereotypen Strohmeyer,
Wahrnehmungen des Fremden 25–33.
127 Espenhorst, Frieden übersetzen in der Vormoderne 12.
128 Schattenberg, Diplomatie als interkulturelle Kommunikation 460; Brauner, Ein Schlüssel für
zwei Truhen 203–206.
129 Siehe den Forschungsüberblick von Köhler, Neue Forschungen zur Diplomatiegeschichte, der eine
breite Rezeption neuerer theoretischer und konzeptioneller Ansätze in der neuen Diplomatiegeschichtsfor-
schung belegt.
130 Rohrschneider, Diplomatiegeschichtliche Erforschung 107–111.
131 Zitiert nach Wilfried Loth aus Externbrink, Internationale Politik in der Frühen Neuzeit 19.
132 Auf der Basis der spanisch-französischen Verhandlungen in Münster Rohrschneider, Tradition und
Perzeption 257–282.
Die Transformation des Wiener Stadtbildes um 1700
- Titel
- Die Transformation des Wiener Stadtbildes um 1700
- Autoren
- Ferdinand Opll
- Martin Scheutz
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Ort
- Wien
- Datum
- 2018
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-205-20856-3
- Abmessungen
- 16.9 x 23.9 cm
- Seiten
- 212
- Schlagwörter
- History, Höfische Netzwerke, Wien, Kartografie, Stadtentwicklung, Karten, Reichshofrat, Europäische Geschichte
- Kategorien
- Geschichte Historische Aufzeichnungen