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Nach 1918
Die Wundes des Staates - Kriegsopfer und Sozialstaat in Österreich 1914–1938
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18 Einleitung wissenschaftlich diskutiert ; sie blieben wegen ihres  – sich klaren Schemata entzie- henden und immer im Rufe der Simulation stehenden  – Charakters ein Dauerthema der Kriegsopferversorgung. Im Gegensatz zu kriegsbedingten Verwundungen waren sie jedoch stets „minderwertig“ und ihre Anerkennung setzte sich nur langsam durch. Die sogenannten Kriegszitterer hatten geringere Chancen, eine staatliche Rente zu erhalten, als die körperlich Beschädigten. Im Diskurs der Ärzte und Gutachter spielte auch der Begriff der „Rentenneurose“ eine große Rolle  – ein Fachterminus, der die Be- handlungsunwilligkeit von Rentenbeziehern in eine Angst vor Schmälerung der Be- züge umdeutete und den Betroffenen unterstellte, im Status der Invalidität verharren zu wollen.12 Insgesamt schuf das Begutachtungssystem ein differenziertes, Symptome und Krankheitszustände genau analysierendes und vor allem auch quantifizierendes Bild des Leids von Kriegsbeschädigten. Die Versorgung der Invaliden, ihre Reintegration in das Zivilleben sowie die mate- rielle Absicherung der Witwen und Waisen wurden seit dem Ersten Weltkrieg in ganz Europa zu einer zentralen Aufgabe staatlicher Sozialpolitik. Vergleichbares hatten zu- vor nur die USA erlebt : Die hohen Opferzahlen, die der Amerikanische Bürgerkrieg (1861–1865) forderte,13 veranlassten die USA schon viel früher als die europäischen Staaten zu einer Neustrukturierung der Kriegsopferversorgung. Das Versorgungssys- tem, das in der Folge für die aufseiten der Unionisten kämpfenden Soldaten bzw. ihre Angehörigen geschaffen wurde, bildete den Ausgangspunkt für das US-amerikani- sche Pensionssystem.14 Diese Entwicklung sollte sich in anderen Staaten wiederholen. Denn grundsätzlich dürfte die staatliche Versorgung von Kriegsbeschädigten in vielen Ländern Vorbildfunktion für die Versorgung der gesamten Bevölkerung gehabt haben : Die Entwicklung der staatlichen Sozialfürsorge von der Gewährung reiner Almosen hin zu einem rechtlich garantierten Anspruch wurde hier vorweggenommen. Die Ausgangsthese dieser Studie lautet daher : Die Wurzel moderner staatlicher Sozialpolitik  – einer Sozialpolitik, die tatsächlich die gesamte Gesellschaft ins Visier nimmt  – liegen in der Kriegsopferversorgung des Ersten Weltkrieges. Diese These wird 12 Der Konflikt um die Rentenneurose ist nicht neu, er war jedoch auf Diskurse rund um die Unfallver- sicherung beschränkt und fand nun, im Ersten Weltkrieg, in der Kriegsopferfürsorge einen „weiteren Austragungsort“ ; siehe Greg A. Eghigian, Die Bürokratie und das Entstehen von Krankheit. Die Politik und die „Rentenneurosen“ 1890–1926, in : Jürgen Reuleke/Adelheid Gräfin zu Castell Rüdenhausen (Hg.), Stadt und Gesundheit. Zum Wandel von „Volksgesundheit“ und kommunaler Gesundheitspolitik im 19. und frühen 20. Jahrhundert, Stuttgart 1991, S.  203–223, hier S.  214. 13 Er kann als erster „moderner“ oder „totaler“ Krieg bezeichnet werden ; Stig Förster (Hg.), An der Schwelle zum Totalen Krieg. Die militärische Debatte über den Krieg der Zukunft 1919–1939, Pader- born 2002. 14 Theda Skocpol, Protecting Soldiers and Mothers. The Political Origins of Social Policy in the United States, Cambridge, Mass.-London 1995.
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Die Wundes des Staates Kriegsopfer und Sozialstaat in Österreich 1914–1938
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
Titel
Die Wundes des Staates
Untertitel
Kriegsopfer und Sozialstaat in Österreich 1914–1938
Autoren
Verena Pawlowsky
Harald Wendelin
Verlag
Böhlau Verlag
Ort
Wien
Datum
2015
Sprache
deutsch
Lizenz
CC BY-NC 3.0
ISBN
978-3-205-79598-8
Abmessungen
17.0 x 24.0 cm
Seiten
586
Kategorien
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