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Die Wundes des Staates - Kriegsopfer und Sozialstaat in Österreich 1914–1938
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41Kriegsinvalide  – Kriegsbeschädigte  – Kriegsopfer : Benennungen und Definitionen das zivile Leben wieder fit machen. Gewissermaßen ließ also erst die Tatsache, dass ein Kriegsinvalide einer Nachbehandlung und Schulung unterzogen wurde, er als in das Erwerbsleben wieder integrierbar galt, den Begriff der Kriegsbeschädigung auf den Plan treten. Es war das neue Instrument der Nachbehandlung, das den Kriegsbeschä- digten als Typus überhaupt erst schuf. Diese Begriffsverschiebung spiegelt auch einen Paradigmenwechsel wider : Nahm nämlich ein Wehrpflichtiger im Krieg Schaden an seiner Gesundheit, so war er zwar kurzfristig invalider Soldat, langfristig jedoch war er vor allem beschädigter Zivilist. Die Perspektive war eine andere, seit man es in der Armee nicht mehr ausschließlich mit Berufssoldaten zu tun hatte. Der „Begriff der ‚Invalidität‘ [war]“  – so hielt ein kundiger Beobachter schon 1915 fest  – „im Zeitalter der allgemeinen Wehrpflicht, in welchem die Mehrzahl der Invaliden aus bürgerlichen Berufen stammt, gänzlich unhaltbar“98 geworden. Nach dem Ende des Krieges ersetzte die „zivilstaatliche“ Perspektive die militäri- sche praktisch völlig. Die alte Invalidenversorgung wurde endgültig zur Kriegsbeschä- digtenfürsorge.99 Und für diesen Perspektivenwandel war es unerheblich, dass Öster- reich nach dem Staatsvertrag von 1919100 (bis 1936) gar keine allgemeine Wehrpflicht mehr kannte. Kriegsbeschädigt zu sein, bedeutete im Frieden auch etwas grundsätzlich Anderes, als es im Krieg bedeutet hatte. Zum einen hatte die Armee nun keinen Be- darf mehr an Soldaten. Die zuvor vielleicht strengeren  – sich jedenfalls immer an der militärischen Verwendungsfähigkeit orientierenden  – Kriterien bei der Beurteilung, wer als untauglich zu gelten habe, waren nutzlos geworden. Die Bewertung der bür- gerlichen Erwerbs- und der Arbeitsfähigkeit sowie die Feststellung des Ausmaßes der Beschädigung im Hinblick auf den Beruf waren nun das Maß der Dinge. Zum anderen waren Kriegsbeschädigte, deren Zahl  – zumindest durch kriegerische Einwir- kungen  – nicht mehr weiter anstieg, nicht mehr die einzigen, die aus der Armee ent- lassen wurden. Die Demobilisierung machte alle Soldaten zu ehemaligen Soldaten.101 Kriegsbeschädigte waren daher weit mehr durch ihren Gesundheitsschaden definiert als durch den Status, nicht mehr Soldat zu sein. Und dieser Gesundheitsschaden, durch den sie sich von den gesunden Kriegsteil- nehmern unterschieden, verpflichtete den Staat einzugreifen. Er gewährte spezielle 98 Marchet, Die Versorgung, S.  52. 99 „Invalidenversorgung“ vor dem Krieg war  – wie ein Zeitgenosse feststellte  – angesichts der relativ geringen Zahl der Versorgungspflichtigen auch noch „keine so schwerwiegende Staatsaufgabe wie die Kriegsbeschädigtenfürsorge nach dem Weltkriege“ ; Fahringer, Die Kriegsbeschädigtenfürsorge und ihre Einrichtungen, S.  532. 100 StGBl 1920/303. 101 Berufssoldaten ausgenommen.
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Die Wundes des Staates Kriegsopfer und Sozialstaat in Österreich 1914–1938
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
Titel
Die Wundes des Staates
Untertitel
Kriegsopfer und Sozialstaat in Österreich 1914–1938
Autoren
Verena Pawlowsky
Harald Wendelin
Verlag
Böhlau Verlag
Ort
Wien
Datum
2015
Sprache
deutsch
Lizenz
CC BY-NC 3.0
ISBN
978-3-205-79598-8
Abmessungen
17.0 x 24.0 cm
Seiten
586
Kategorien
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