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49Kriegsinvalide
– Kriegsbeschädigte
– Kriegsopfer : Benennungen und Definitionen
Nerven durch den Krieg gelitten haben, welche […] aber unter den landläufigen Begriff
‚Invalide‘ nicht fallen.“127
Die Tatsache, dass Kriegsbeschädigte eben nicht nur Verwundete waren, machte eine
Ausweitung der Maßnahmen notwendig : Anfang 1916 bezog eine Verordnung des
Innenministeriums erstmals auch erkrankte Kriegsbeschädigte in die Programme der
Nachbehandlung und Schulung mit ein128 und legte fest, dass selbst eine schon vor
dem Krieg evident gewesene Erkrankung als Kriegsbeschädigung zu werten sei, wenn
sie sich infolge des Krieges verschlimmert hatte.129 Den Behörden wurde eingeschärft,
dass bei der Beurteilung des Zusammenhangs zwischen der Verschlimmerung eines
Leidens und der Militärdienstleistung „kein zu engherziger Maßstab angelegt werden
darf.“130
Während die Tatsache, dass auch erkrankte Soldaten der Fürsorge bedurften, also
bald außer Streit gestellt war, bestand auf symbolischer Ebene ein bedeutender Unter-
schied zwischen Verwundung und Erkrankung weiter. Dass man bei den ersten Maß-
nahmen der Kriegsbeschädigtenfürsorge zunächst nur die Verwundeten im Auge hatte,
lag also möglicherweise nur zum Teil an der Sichtbarkeit ihrer Beschädigung. Hinzu
kam die höhere Bewertung der Verwundung, die ihren Träger immer auch als muti-
gen Kämpfer auszuweisen in der Lage war. Eine juristische Entsprechung fand diese
Anschauung in der Verwundungszulage, einer offenbar „von den Empfängern hoch
eingeschätzt[en]“131 Leistung : Das während des gesamten Ersten Weltkrieges gültige
Militärversorgungsgesetz von 1875 gewährte jenen, deren Invalidität durch „feindli-
che Waffen oder sonstige Kriegsapparate“132
– oder auch durch einen unverschuldeten
Unfall – hervorgerufen wurde, zusätzlich zur Pension133 eine solche Verwundungszu-
lage.134 Sozialpolitisch war diese Zulage zwar anachronistisch, doch ihre Zusammenle-
127 Marchet, Die Versorgung, S. 29.
128 RGBl 1916/41.
129 Der zentrale Erlass des Kriegsministeriums für die Einbeziehung dieser Gruppe von Erkrankten
stammt v. 21.2.1916 ; Fahringer/Büsch/Liebl, Kriegsbeschädigtenfürsorge, S.
13. Siehe auch den Erlass
des KM v. 28.3.1916, Abt. I.F. Nr. 287 ex 1915 (Auslegung des Begriffes „Kriegsbeschädigte“ in den
Erlässen des Kriegsministeriums, Präs. Nr. 10942 und 22301 ex 1915), in : K.k. Ministerium des Innern,
Mitteilungen, 1916, S. 111.
130 Erlass des KM v. 18.7.1917, Abt. I.F. Nr. 621 (Erläuterung zu dem Erlasse I.F. Nr. 287/15), in : K.k.
Ministerium des Innern, Mitteilungen, 1917, S. 308.
131 Marchet, Die Versorgung, S. 58.
132 RGBl 1875/158, § 91.
133 Die Pension stand Soldaten zu, die – nach einer entsprechenden Anzahl von Dienstjahren – infolge
eines im Militärdienst entstandenen „Gebrechens“ invalid wurden ; ebd., § 72.
134 Ebd., §§ 90–98. Siehe auch James Diehl, der darauf hinweist, dass die Invalidenversorgung durch das
Die Wundes des Staates
Kriegsopfer und Sozialstaat in Österreich 1914–1938
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
- Titel
- Die Wundes des Staates
- Untertitel
- Kriegsopfer und Sozialstaat in Österreich 1914–1938
- Autoren
- Verena Pawlowsky
- Harald Wendelin
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Ort
- Wien
- Datum
- 2015
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY-NC 3.0
- ISBN
- 978-3-205-79598-8
- Abmessungen
- 17.0 x 24.0 cm
- Seiten
- 586
- Kategorien
- Geschichte Nach 1918