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2 Invalidenrenten, Verwundungszulagen, staatliche
Unterstützungen, Zuwendungen, Unterhaltsbeiträge :
Die Gesetzgebung der Monarchie
Am 25. April 1919 beschloss die provisorische Nationalversammlung der Republik
Deutsch-Österreich das Invalidenentschädigungsgesetz1 – ein Gesetz, das zum Ziel
hatte, die Kriegsopfer des Ersten Weltkrieges – Kriegsbeschädigte ebenso wie deren
Angehörige bzw. Hinterbliebene – zu alimentieren.2 In einer Publikation, die das
Gesetz samt Materialien, wie parlamentarischen Ausschussberichten, verschiedenen
Statistiken usw., darstellt, wird – nicht ohne Emphase – die Notwendigkeit eines der-
artigen Gesetzes wie folgt begründet :
„Der Krieg hat Leiden in einer Ausdehnung zur Folge gehabt, die auch heute noch alle
Vorstellungen übersteigen. Sie gänzlich zu tilgen, das Geschehene ungeschehen zu machen,
liegt nicht in unserer Macht. Kein Staat ist imstande, die Bedauernswerten, die von den
zermalmenden Wirkungen des Krieges am eigenen Leibe betroffen wurden, und die Fa-
milien der im Krieg Gefallenen für die erlittenen körperlichen und seelischen Schmerzen,
für die dauernde Einbuße an Lebensfreude und Zukunftshoffnung zu entschädigen. Um so
gebieterischer tritt aber die Pflicht an den Staat heran, die unglücklichen Opfer des Krieges
wenigstens von der äußeren Sorge um die Notdurft des Lebens zu befreien.“3
Im Zuge der Beschlussfassung der Regierungsvorlage zu diesem Gesetz sprach der
sozialdemokratische Abgeordnete Laurenz Widholz im Parlament davon, dass bisher
„auf diesem Gebiete nichts gemacht worden“4 sei, und stellte damit der gesetzlichen
Regelung der Versorgung von Kriegsopfern in der österreichisch-ungarischen Mon-
archie ein denkbar schlechtes Zeugnis aus. Ob dieses „nichts“ tatsächlich ein „nichts“
oder vielleicht nur ein „zu wenig“ war, soll im Folgenden untersucht werden. Denn das
1 StGBl 1919/245.
2 Das IEG war allerdings keineswegs nur ein Rentengesetz, vielmehr regelte es ein ganzes Bündel von
Maßnahmen für Kriegsbeschädigte bzw. deren Angehörige, wie etwa Heilbehandlung, Unterbringung
oder Schulung.
3 Das Gesetz vom 25. April 1919 über die staatliche Entschädigung der Kriegs-Invaliden, -witwen und
-waisen (Invalidenentschädigungsgesetz) mit Materialien, Wien 1919, S. 31.
4 Sten. Prot. KN, II. Session, 10. Sitzung v. 24.4.1919, S. 259.
Die Wundes des Staates
Kriegsopfer und Sozialstaat in Österreich 1914–1938
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
- Titel
- Die Wundes des Staates
- Untertitel
- Kriegsopfer und Sozialstaat in Österreich 1914–1938
- Autoren
- Verena Pawlowsky
- Harald Wendelin
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Ort
- Wien
- Datum
- 2015
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY-NC 3.0
- ISBN
- 978-3-205-79598-8
- Abmessungen
- 17.0 x 24.0 cm
- Seiten
- 586
- Kategorien
- Geschichte Nach 1918