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Die Wundes des Staates - Kriegsopfer und Sozialstaat in Österreich 1914–1938
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82 Die Gesetzgebung der Monarchie wert sein als der direkt erworbene der Wehrpflichtigen ? Die Antwort liegt letztlich in den verfassungsrechtlichen Regelungen, die im Zuge des Österreichisch-Ungarischen Ausgleiches von 1867 getroffen worden waren. Das nach der Niederlage gegen Preu- ßen im Krieg von 1866 als Doppelmonarchie neu konstituierte Reich bestand fortan aus zwei im Wesentlichen autonom agierenden Reichshälften, die sich nur das Reichs- finanz-, das Außen- und das Kriegsministerium teilten. Das Militär blieb also eine gesamtstaatliche Aufgabe. Und daher war auch das vom Kriegsministerium administ- rierte Militärversorgungsgesetz eine gemeinsame Angelegenheit.96 Der nahe liegende Grund für das Ausbleiben einer Einigung über ein neues Gesetz während des Ersten Weltkrieges war die Frage der Finanzierung der Kriegsbeschä- digtenfürsorge : Der Verteilungsschlüssel für gesamtstaatliche Ausgaben nach dem geltenden und alle zehn Jahre neu ausgehandelten Finanzausgleich war zu dieser Zeit zwischen Österreich und Ungarn mit 63,6 zu 36,4 % festgelegt. Laut Kriegsministe- rium verteilten sich demgegenüber aber die Kriegsbeschädigten auf die beiden Reichs- hälften im Verhältnis von 56 zu 44 %. Österreich fuhr also besser damit, die Invaliden- fürsorge im Alleingang zu regeln, als dem gemeinsamen Budget einen im Verhältnis zu den eigenen Opferzahlen zu hohen Beitrag zuzuschießen.97 Und hier boten sich  – wie oben gezeigt wurde  – die Unterhaltsbeitragsagenden an, die schon seit Beginn (1912) beim Landesverteidigungsministerium ressortierten. Sie waren in jeder Reichshälfte unabhängig regelbar, während alle Eingriffe in das Militärversorgungsgesetz unter der Federführung des Kriegsministeriums mit der österreichischen und der ungarischen Reichshälfte abgestimmt werden mussten. Wie schwer eine Einigung der beiden Reichshälften zu erzielen war, zeigt bereits die Entstehungsgeschichte des Gesetzes von 1875 : Es dauerte damals drei Jahre, bis zwischen Österreich und Ungarn ein Einvernehmen über die Textierung des Geset- zes hergestellt war, und vor der Beschlussfassung des Gesetzes im österreichischen Reichsrat bat der zuständige Minister die Abgeordneten inständig darum, auf Ände- rungen des vorgelegten Gesetzesentwurfes zu verzichten, da sonst  – durch die neu- erlich notwendig werdenden Verhandlungen mit Ungarn  – ein „circulus vitiosus“ in Gang gesetzt und ein Militärversorgungsgesetz nie beschlossen werde.98 Selbst die ab 1914 für jedermann evident gewordene dramatische Unzulänglichkeit der Militär- versorgung und die Erkenntnis, dass das Gesetz von 1875 den Anforderungen an die 96 Das MVG galt zwar im Falle einer Mobilisierung auch für die österreichische Landwehr und die un- garische Honvéd (siehe RGBl 1875/158, § 128)  – die Landesverteidigungsministerien übernahmen die Regelungen also  –, die Zuständigkeit lag aber trotzdem beim Kriegsministerium. 97 AT-OeStA/AdR BMfsV Kb, Kt. 1356, 1244/1918 ; der Akt fasst die „Genesis unserer Invaliden-Für- sorge-Aktion überhaupt“ zusammen. 98 Sten. Prot. AH RR, VIII. Session, 65. Sitzung v. 22.10.1874, S.  2417.
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Die Wundes des Staates Kriegsopfer und Sozialstaat in Österreich 1914–1938
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Titel
Die Wundes des Staates
Untertitel
Kriegsopfer und Sozialstaat in Österreich 1914–1938
Autoren
Verena Pawlowsky
Harald Wendelin
Verlag
Böhlau Verlag
Ort
Wien
Datum
2015
Sprache
deutsch
Lizenz
CC BY-NC 3.0
ISBN
978-3-205-79598-8
Abmessungen
17.0 x 24.0 cm
Seiten
586
Kategorien
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