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Die Wundes des Staates - Kriegsopfer und Sozialstaat in Österreich 1914–1938
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91Resümee politischer Hinsicht ein Bild von Familie, das sich dadurch auszeichnete, dass der im Mittelpunkt der Familie stehende männliche Ernährer als Hauptadressat der Unter- stützung wahrgenommen wurde, während allfällige Ansprüche von Angehörigen sich von jenen des Familienerhalters bloß ableiteten. Was die erste Feststellung betrifft, so ist hier ein Paradigmenwechsel angesprochen. Die Festlegung, Kriegsbeschädigte nicht für einen wie immer objektivierten Schaden an sich  – oder, allgemeiner gesagt, für ein dem Staat gebrachtes Opfer  – zu entschä- digen, sondern im Hinblick auf eine individuelle und an dem vor der militärischen Verwendung ausgeübten Beruf gemessene Beeinträchtigung, diese Festlegung verweist auf einen solchen neuen Blick auf den Soldaten. Es wird deutlich, dass es sich bei den Leistungen aus dem Titel der Kriegsbeschädigtenfürsorge tatsächlich um eine Form von Schadenersatz für den männlichen Staatsbürger und nicht um eine Gratifikation für den wehrpflichtigen Soldaten handelte. Die Frage, warum der Staat das Belohnungs- modell nie in Betracht zog, ist schwer zu beantworten. Es liegt nahe, die staatliche „Entscheidung“  – im Sinne einer Entscheidung zwischen zwei Möglichkeiten wurde sie in Österreich ohnehin nie getroffen  –, die Kriegsbeschädigtenfürsorge auf der Basis eines Schadenersatzmodells aufzubauen, durch finanzielle bzw. volkswirtschaftliche Notwendigkeiten zu erklären. Wie in den folgenden Kapiteln gezeigt wird, wurde sehr bald damit argumentiert, dass die Volkswirtschaft auf die Arbeitskraft der Kriegs- beschädigten keinesfalls verzichten könne. Wenngleich hinter dieser Argumentation zweifellos auch wieder zu einem guten Teil das Wissen um die  – angesichts der oh- nehin äußerst angespannten Staatsfinanzen evidente  – Unmöglichkeit einer „Vollver- sorgung“ aller Kriegsbeschädigten steckte, mag die Etablierung des Schadenersatzmo- dells auch damit zusammenhängen. Angesichts dessen, was Michael Geyer über den Weg schreibt, den der französische Staat bei der Versorgung der Kriegsbeschädigten wählte, ist aber anzunehmen, dass es auch tiefer liegende Erklärungen geben muss. Die französischen Kriegsbeschädigten des Ersten Weltkrieges wurden nämlich nicht im Hinblick auf die Minderung ihrer Erwerbs- oder Arbeitsfähigkeit, sondern für ihren Dienst an der Nation entschädigt.121 Grund dafür ist das, verglichen mit Österreich, grundsätzlich andersartige Konzept von Nation in Frankreich.122 Der zweite oben angesprochene Aspekt ist mindestens ebenso grundsätzlicher Natur. Den deutlichsten Ausdruck findet das Konzept der Familie als einer aus einem männ- lichen Ernährer und von diesem abhängigen Angehörigen bestehenden Gemeinschaft 121 Geyer, Vorbote, S.  241. 122 Ausführliche Studien zu den Versorgungssystemen in den verschiedenen europäischen Staaten liegen derzeit leider nicht vor, daher ist es kaum möglich, weitergehende Vergleiche anzustellen.
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Die Wundes des Staates Kriegsopfer und Sozialstaat in Österreich 1914–1938
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
Titel
Die Wundes des Staates
Untertitel
Kriegsopfer und Sozialstaat in Österreich 1914–1938
Autoren
Verena Pawlowsky
Harald Wendelin
Verlag
Böhlau Verlag
Ort
Wien
Datum
2015
Sprache
deutsch
Lizenz
CC BY-NC 3.0
ISBN
978-3-205-79598-8
Abmessungen
17.0 x 24.0 cm
Seiten
586
Kategorien
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