Seite - 68 - in Biographisches Lexikon des Kaiserthums Oesterreich - Coremans-Eger, Band 3
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chem er starb, in einigen Hemden und in
Einem metallenen Kochgeschirre. Seine
Nahrung bestand in Thee, welchen er
sehr liebte und in einfach gekochtem Neis,
von welchem er jedoch nur wenig aß. Auf
einer Strohmatte mit einer Fächerkiste an
jeder Seite saß er, aß er, schlief er und
studirte er, er entkleidete sich
nie, weder
bei Tag noch bei Nacht und ging selten
bei Tag aus seiner Wohnung. Er trank
nie Wein oder irgend ein geistiges Ge-
tränk, noch ranchte oder schnupfte er Ta<
bak, oder machte von irgend einem an<
dern in Indien gewöhnlichen Getränke,
wie Opium, Bany oder Saodschi, Ge-
brauch. So hatte er ein Leben voller Ent-
behrungen, Beschwerden und Mühselig-
keiten geführt, ohne den eigentlichen
Zweck desselben, nämlich Gewißheit über
die Abstammung seines Volkes erreicht
und kaum mehr gewonnen zu haben, als
die Kenntniß eines verdorbenen Sans-
crit, da die tibetanische Sprache nur in
einem untergeordneten Verhältnisse zum
Sanscrit steht. Sein Nachlaß bestand
außer den erwähnten vier Kisten mit
Büchern und Schreibrequisiten in indi-
schen Staatspapieren auf 5000 Rupien,
in 300 Rupieubanknoten, in 224 Ru-
pien in verschiedenen Münzen und aus
26 in seinem Leibgurt eingenähten Du-
caten. Er hatte verfügt, als er Calcutta
in der ersten Hälfte des Monats Februar
verließ, daß die daselbst gerichtlich nieder-
gelegten Staatspapiere auf 5000 Rupien
lautend, in dem Falle, daß er von seiner
Unternehmung nach Tibet uicht zurück-
kehre, der asiatischen Gesellschaft iu Cal-
cutta als Eigenthum übergeben werden
sollten, damit diese sie zu irgend einem
liter.Zwecke verwende. Im 1.1836 hatte
C. an die magyarische Akademie 20 Exem-
plare seiner tibetanischen Grammatik uud
feines Wörterbuches geschickt, wovon Ei-
nes für die Akademie, Eiues für die Uni-
versitätsbibliothek, acht für einige königl. Akademien, reformirte Collegien und pro-
testantische Lyceen und zehn für Sieben-
bürgen bestimmt waren. In der langen
Vorrede seiner Grammatik gibt er schätz-
bare Aufschlüsse über seine tibetanischen
Studien und über die Unterstützung, die
er im Oriente fand. Das Ergebniß sei-
ner Forschungen ist, daß die tibetanische
Literatur durchaus indischen Ursprungs,
die vielen in ungeheuren Bänden aus al-
len Zweigen der Wissenschaft geschriebe-
nen Werke treue Uebersetzuugen aus
Sanscrit-Originalen sind. C. hielt für
seine Landsleute das Studium des Sans-
crit für viel fruchtbarer, als für andere
europäische Völker. Die Magyaren wür-
den dadurch reiche Aufklärung über ihre
Herkunft, Gewohnheiten, Kleidung und
Sprache erhalten. Auch ist der Bau des
Sanscrit wie der übrigen indischen Dia-
lecte jenem der magyarischen Sprache
sehr ähnlich. In der magyarischen Sprache
bedient man sich wie im Sanscrit statt
der V or Wörter gewöhnlich der Na
ch wör<«
ter mit Ausnahme der persönlichen Für-
wörter, welchen sie vorgesetzt werden.
Auch bildet man in beiden Sprachen
ohne Beifügung eines Hilfszeitwortes,
blos durch tzinzufiigung von Silben ver-
schiedene Arten von Zeitwörtern. Auf
dem Titelblatte seiner zwei Werke der
Grammatik nnd des Wörterbuches nennt
er sich: ^I^xanäer Osonik äs Xärö^
Treffend schreibt Einer seiner Biogra-
phen: „Ob der Schwierigkeit der (ti-
betanischen) Sprache uud wegeu der Un-
zugänglichkcit des Landes ist denn auch die-
ses Idiom den Europäern sehr spät eröff-
net und erst vor einigen zwanzig Jahren
erobert, ja wohl erobert worden, freilich
von einem unblutigen Eroberer, einem
Helden ohne Mordwerkzenge, der aber,
wenn mau den Mann nur nach der ei-
sernen Kraft seines Willens beurtheilt,
nach der Energie, mit der er seinem vor«
Biographisches Lexikon des Kaiserthums Oesterreich
Coremans-Eger, Band 3
- Titel
- Biographisches Lexikon des Kaiserthums Oesterreich
- Untertitel
- Coremans-Eger
- Band
- 3
- Autor
- Constant von Wurzbach
- Verlag
- Verlag der Universitäts-Buchdruckerei von L. C. Zamarski
- Ort
- Wien
- Datum
- 1858
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- PD
- Abmessungen
- 13.41 x 21.45 cm
- Seiten
- 456
- Schlagwörter
- Biographien, Lebensskizzen
- Kategorien
- Lexika Wurzbach-Lexikon